26.Jan.2017
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Schneeglöckchen - mehr Arten, als man denkt
Joachim Schmitz
Schneeglöckchen sind bei uns die ersten Frühjahrsblüher. Weil man sie auch abseits von Siedlungsgebieten in Wäldern antrifft, halten das viele Leute für eine heimische Pflanze. Das stimmt aber nur sehr bedingt.
Die Gattung Galanthus, wie die Schneeglöckchen wissenschaftlich heißen, hat ihren Schwerpunkt in einem Gebiet, das von Innerasien bis ins östliche Mittelmeergebiet reicht. Am weitesten nach Westen hat es das Kleine Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) geschafft; die natürlichen Vorkommen in Deutschland gehören alle zur Unterart Galanthus nivalis ssp. nivalis. Davon gibt es allerdings nicht sehr viele. Fundorte liegen in der Schwäbischen Alb und an mehreren Stellen im ober- und niederbayerischen Alpenvorland. Die aktuelle Verbreitungskarte kann auf der vom Bundesamt für Naturschutz betriebenen Internetseite floraweb.de eingesehen werden. Alles andere sind Verwilderungen aus Anpflanzungen! Um es nochmal ausdrücklich zu betonen: Im Rheinland gibt es ursprünglich keine wilden Schneeglöckchen. In manchen Regionen haben sich die Verwilderungen allerdings selbständig gemacht und gelten laut floraweb.de als eingebürgert.
Die wilden Pflanzen sind charakteristisch für Hartholzauwälder, also Laubwälder, die auf eher nährstoffreichen Böden in Gewässernähe wachsen. Auch die verwilderten Gartenpflanzen wachsen gerne auf relativ nährstoffreichen und nicht zu trockenen Böden. Da die Samen durch Ameisen verbreitet werden, können die Pflanzen auch relativ weit weg von ihrem ursprünglichen Wuchsort auftauchen.
Wegen der größeren Blüten wird Elwes Schneeglöckchen (G. elwesii) häufig kultiviert. Ein weiterer Unterschied sind die schmaleren äußeren drei Kronblätter. Von dieser Art sind bisher nur unbeständige Gartenflüchtlinge bekannt. Da die Art in Bestimmungsbüchern meist gar nicht aufgeführt ist, sind vielleicht auch Funde fehlbestimmt worden.
Längere und breitere grüne Blätter (ohne Blauton) besitzt das Woronow-Schneeglöckchen (G. woronowii). Auch diese Art ist wohl häufig übersehen oder fehlbestimmt worden. Für Deutschland liegt noch keine Verbreitungskarte vor; Bayernflora.de führt wenige unbeständige Verwilderungen auf. Mir ist selbst mal ein Schneeglöckchen mit auffällig grünen Blättern aufgefallen. Ich konnte mir aber damals mangels Spezialliteratur keinen Reim darauf machen.
Das Woronow-Schneeglöckchen wird häufig unter falschem Namen verkauft. Was unter Breitblättrigem Schneeglöckchen (G. platyphyllus) und Ikaria-Schneeglöckchen (G. ikariae) angeboten wird, ist wohl in der Regel G. woronowii. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die ganze Problematik der Bestimmung von Schneeglöckchen. Im gartenverrückten Großbritannien gibt es fanatische Sammler aller möglichen Schneeglöckchen. Das kennt man bei uns so noch nicht; hier sind es eher Kakteen, Orchideen, Fuchsien oder Rhododendren, für die sich Sammler begeistern. Jedenfalls versucht der Handel, sozusagen das ‚Suchtverhalten‘ der Sammler auszunutzen, und bietet möglichst viele Arten und Sorten an. Nicht alle Händler sind in der korrekten Auszeichnung der Pflanzen seriös. Es werden schon mal gerne Unterarten oder sogar lokale Varietäten als eigene Arten angeboten, um den Katalog größer zu machen. Dazu kommen dann noch Fehlbestimmungen. Daran sind allerdings auch die Züchter nicht ganz unschuldig. Vor allem früher wurde gerne drauflos gezüchtet und gekreuzt, ohne das sauber zu dokumentieren. Und dann steht der Botaniker davor und fragt sich verzweifelt, was denn das jetzt wieder ist.
Deshalb ist sich nicht einmal die Fachliteratur einig, wie viel Arten in Deutschland kultiviert werden und unbeständig verwildern können. Neben den 3 oben genannten Arten führt floraweb.de noch 2 weitere Arten, Bayernflora.de noch 3 Arten auf.
zuletzt bearbeitet am 12.IV.2017