9.März 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Zukunft der Fichte in Deutschland ist ungewiss

Ruth Gestrich-Schmitz

Der Nadelbaum, über den in Deutschland am meisten kontrovers diskutiert wird, ist zum Baum des Jahres 2017 gewählt worden: Die Fichte. Sie ist derjenige Baum, den die Preußen im 19.Jh. im Rheinland zur schnellen Wiederbewaldung verödeter Flächen einsetzten. In den Jahrhunderten zuvor hatte die Gewinnung von Holzkohle, Bau- und Brennholz sowie die Nutzung der Wälder durch die Bauern, die ihr Vieh in den Laubwald trieben, wo es sich von jungen Trieben, Eicheln und Bucheckern ernähren konnte, zur Vernichtung der Wälder geführt. Die Preußen trieben per Gesetz, oft gegen den Widerstand der Bevölkerung, die massive Aufforstung mit der Fichte voran. Warum ausgerechnet die daraufhin auch „Preußenbaum“ genannte Fichte? Sie ist anspruchslos und gedeiht daher gut auf offenen, ungeschützten und an Nährstoffen verarmten Böden. Sie ist schnellwüchsig, das Holz ist hell, leicht, elastisch, tragfest und eignet sich gut als Bau- und Möbelholz sowie für die Papierherstellung. Auch zum Drechseln und Schnitzen von Figuren und Spielzeugen wie auch als Klangholz zur Herstellung von Musikinstrumenten ist es sehr geliebt.

Die Fichtenmonokulturen an ungünstigen Standorten bergen jedoch neben vermehrtem Schädlingsbefall (Borkenkäfer, Rotfäule) weitere Gefahren: Wegen der flachen Bewurzelung ist die Fichte sehr sturmanfällig. Sie verträgt weder Hitze noch Dürre, was sie im Zuge der Klimaveränderung stark benachteiligt, und ihre Nadeln versauern den Boden und führen damit zu Nährstoffverlusten. Forstwissenschaftler hatten diese Risiken bereits Ende des 19.Jhs. erkannt und entwarfen Gegenkonzepte, u.a. baumartenreiche Mischwälder. Durch die beiden Weltkriege war der Holzbedarf jedoch sehr groß, für den Wiederaufbau und die sog. „Reparationshiebe“ für die Siegermächte. Deshalb pflanzte man zur schnellen Wiederaufforstung vor allem erneut Fichten und Kiefern. In jüngerer Zeit, nach enormen Holzverlusten durch heftige Orkane und um den Klimaveränderungen entgegenzutreten, gehen Bestrebungen dahin, Aufforstungen vermehrt mit Buchen und anderen Laubbäumen vorzunehmen.

Die natürlichen Verbreitungsgebiete der Gewöhnlichen Fichte (Picea abies), der einzigen in Deutschland beheimateten Fichtenart, sind kühlere Klimabereiche, vor allem die höheren Lagen der süd- und ostdeutschen Mittelgebirge sowie der Alpen. Wegen ihrer anfangs rötlichbraunen Rinde wird sie auch, botanisch eigentlich nicht korrekt, Rottanne genannt. Später entwickelt sich eine Borke mit grau-braunen Schuppen. Die Gewöhnliche Fichte kann über vierhundert Jahre alt werden und eine Höhe von vierzig Metern und mehr erreichen. Der aufrechte Stamm bildet jedes Jahr einen Quirl aus Seitenästen am neu gebildeten Spitzentrieb. Die Seitenäste selber verlängern sich jedes Jahr um einen Haupttrieb und zwei schräg abgewinkelte Seitentriebe. Zwischen den Nadeln des Vorjahrestriebes wachsen unregelmäßig schwächere Seitentriebe heraus. So ergibt sich mit der Zeit eine Kegelform, klassisch für den Weihnachtsbaum. Bis in die 1960er Jahre war die Fichte der gebräuchlichste Weihnachtsbaum. Die stachelspitzigen, glänzend grünen, meist vierkantigen Nadeln sitzen auf stark vorspringenden Blattkissen und haben eine Lebensdauer von durchschnittlich sieben Jahren. Blüten erscheinen im Freistand erstmals nach etwa dreißig Jahren, im dichten Bestand nach etwa fünfzig bis sechzig Jahren. Im April/Mai entwickeln sich männliche, erdbeerförmige, erst rote, später gelbe Kätzchen zwischen den Nadeln der Vorjahrestriebe, und weibliche, aufrechtstehende, purpurrote, manchmal auch grüne Zäpfchen an den Enden der Vorjahrestriebe. Nach der Befruchtung mit Hilfe des Windes reifen hellbraune, etwa fünfzehn Zentimeter lange, nach unten hängende Zapfen. Bei trockenem Wetter geben sie die sehr leichten, eiförmigen, einfarbig braunen, geflügelten Samen frei, die vom Wind verbreitet werden und fünf bis sechs Jahre keimfähig bleiben. Der leere Zapfen fällt im Jahr nach der Reife ab.

Wenn die Fichte entsprechend ihrer natürlichen Standortbedingungen in den Wald integriert wird, hat sie auch eine Zukunft. Sie ist Teil unserer Kulturlandschaft, und seit alters her verwendet man die in den Nadeln und in der Rinde enthaltenen Inhaltsstoffe. Früher wurde das Harz zur Herstellung von Lacken oder Terpentin genutzt, die Gerbsäure aus der Rinde bei der Lederherstellung. Junge Triebe feingehackt als Gewürz oder als Sirup versorgen den Körper mit Vitamin C. Ätherische Öle wirken entzündungshemmend, durchblutungsfördernd, harn- und schweißtreibend und hustenstillend. Wie wohltuend ist nach einem anstrengenden Tag ein heißes Fichtennadelbad.

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zuletzt bearbeitet am 12.IV.2017