4. Mai 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Klatsch-Mohn: Symbol für einen bedrohten Lebensraum

Joachim Schmitz

Dieses Jahr hat die Loki Schmidt-Stiftung den Klatsch-Mohn (Papaver rhoeas) zur Blume des Jahres erklärt. Diese Wahl soll auf den enormen Rückgang der Ackerwildkräuter hinweisen. Der Klatsch-Mohn selbst ist noch nicht einmal so bedroht, aber die Blüte ist attraktiv und deshalb kennt ihn jeder. Unscheinbare Arten wie Dreihörniges Labkraut (Galium tricornutum), Kleines Mäuseschwänzchen (Myosurus minimus) oder Acker-Ziest (Stachys arvensis) sind wesentlich stärker zurückgegangen, aber halt nicht so publikumswirksam. Botanische Laien würden vermutlich nur die Achseln zucken und sagen: Was interessiert mich das, wenn diese Arten aussterben?

Der starke Rückgang von Ackerwildkräutern liegt natürlich zuerst an den Veränderungen der Landwirtschaft selbst. Da ist die Verwendung von Herbiziden, also Giften gegen „Unkräuter“, zu nennen. Dabei handelt es sich häufig um Stoffe, die gezielt gegen Zweikeimblättrige wirken; dazu gehören die meisten Blütenpflanzen, nur eben nicht die Getreide, die botanisch zu den Süßgräsern gehören. Der Schuss ist allerdings gewaltig nach hinten losgegangen. Heute sind „Ungräser“ wie das Acker-Fuchsschwanzgras (Alopecurus myosuroides) oder der Acker-Windhalm (Apera spica-venti) in die Bresche der zweikeimblättrigen Wildkräuter gesprungen und werden heute als Wirtschaftsschädlinge angesehen. In der EU bisher nicht zugelassen sind Getreidesorten, die gegen Glyphosat („Basta ®“, „RoundUp ®“ usw.) gentechnisch resistent gemacht wurden. Auf so behandelten Äckern würden dann außer der angebauten Sorte alle Pflanzen abgetötet werden.

Schon seit Jahrzehnten wurden immer mehr Äcker auf sogenannten Grenzertragsböden aufgegeben. Auch durch Düngung und andere Kompensationsmaßnahmen waren die nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben, seit man billiger Getreide importieren kann. Als erstes sind Äcker auf Sandböden ausgestorben. Die typischen Wildkräuter werden heute in Freilichtmuseen erhalten. Danach wurden in Mittelgebirgslagen viele Äcker stillgelegt. Dann kam in Nordrhein-Westfalen das Ackerrandstreifenprogramm, das die Ackerwildkräuter auf Kalkböden gerettet hat. Daraus entwickelte sich das System der Vertragslandwirtschaft, bei dem kurz gesagt Bauern Geld für Natur erhaltende Maßnahmen bekommen, eben z.B. Ackerrandstreifen nicht zu spritzen. Heute ist selbst auf normalen Böden Ackerbau kaum noch wirtschaftlich zu betreiben, und viele Landwirte flüchten sich in den Anbau von Raps für „Biodiesel“ oder Futter-Mais. In Bayern ist das so extrem, das da schon von der „Vermaisung der Landschaft“ gesprochen wird.

 

Der Klatsch-Mohn ist noch relativ häufig, weil er auch außerhalb von Äckern auf Brachen, Wegböschungen und Ähnlichem vorkommt. Einen so imposanten Mohn-Acker wie auf dem Bild oben findet man aber nur noch auf Flächen mit Vertragslandwirtschaft.

Ein weiteres Problem ist die zunehmende Versiegelung der Landschaft. Ich brauche nur von meinem Arbeitsplatz (in Herzogenrath-Merkstein) aus dem Fenster zu schauen: Vor 15 Jahren war da noch ein Acker; heute ist da ein Gewerbegebiet mit einem Baumarkt und mehreren ähnlichen Discountern. Nach Süden gibt es bis jetzt noch einen Acker, aber das ist schon zu einem Bauerwartungsland umgewidmet worden, auf dem demnächst eine Siedlung errichtet werden soll.

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zuletzt bearbeitet am 19.VII.2017