18. Mai 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Schlangenknöterich verwandelt die Wiesen in ein rosafarbenes Blütenmeer

Ruth Gestrich-Schmitz

Im Mai und Juni verwandeln sich viele feuchte Wiesen in der Eifel in ein rosafarbenes Blütenmeer. Dafür verantwortlich sind die Blüten des Schlangenknöterichs (Polygonum bistorta), auch als Wiesenknöterich bekannt.

Polygonum bistorta ist eine heimische, vor allem in den Mittelgebirgen verbreitete Pflanze, deren Vorkommen im Rheinland seit der frühen Nacheiszeit auf Grund von Pollenanalysen belegt ist. Der Schlangenknöterich liebt grundwasserfeuchte oder gut durchsickerte, kalkarme, nährstoffreiche Böden in nicht zu schattiger Lage. Er gehört zur Familie der Knöterichgewächse (Polygonaceae), die sich durch eine stängelumfassende Röhre, die sog. Ochrea, an der Basis der Laubblätter auszeichnet. Die ausdauernde, krautige Pflanze wächst dreißig bis einhundertzwanzig Zentimeter hoch mit aufrechten, unverzweigten Stängeln mit wechselständigen, weit voneinander entfernten Blättern. Die Grundblätter, oberseits dunkelgrün, unterseits bläulich-grün, haben eine ovale bis längliche Form, sind gestielt und werden bis fünfzehn Zentimeter lang. Die kleineren, oberen Stängelblätter sitzen direkt am Stängel mit einem herzförmigen Grund. Im Mai bilden sich Scheinähren mit unzähligen kleinen, rosafarbenen Blüten, die jeweils acht Staubblätter und einen dreikantigen Fruchtknoten mit drei freien Griffeln aufweisen. Wegen der Form des Blütenstands wird der Schlangenknöterich im Volksmund auch „Zahnbürste“ oder „Pfeifenputzer“ genannt, die Ähnlichkeit mit einer Schnittlauchblüte hat ihm zum Namen „Lauchelchen“ verholfen. Zur Fruchtreife entwickeln sich drei kleine, braun-glänzende Samen. Da die Blüten reich an Nektar sind, ziehen sie viele Insekten, vor allem Bienen an. Lebensnotwendig ist der Schlangenknöterich für die Entwicklung des Blauschillernden Feuerfalters, der seine Eier ausschließlich auf den Blattunterseiten dieser Pflanze ablegt. Im Juni und Juli leuchten dann auf den Schlangenknöterich-Wiesen die lebhaft violett schillernden Flügeloberseiten der Falter. Genauso ist auch der Randring-Perlmuttfalter auf das Vorkommen des Schlangenknöterichs angewiesen.

Der Name „bistorta“ kommt von lat. „bis“ für „zweimal“ und „tortus“ für „gedreht“ und bezieht sich auf das dicke, schlangenartig gewundene Rhizom, eine unterirdisch kriechende Sprossachse. Daher rührt der deutsche Name „Schlangenwurz“ und deshalb wurde das Rhizom früher im Sinne der Signaturenlehre gegen Schlangenbisse eingesetzt. Aus dem äußerlich schwarzen, innerlich roten Rhizom entspringen weit kriechende Ausläufer, die für eine insel- oder nestartige Ausbreitung sorgen.

Seit alters her dient der Schlangenknöterich als Heilpflanze: Rhizom und Wurzeln enthalten neben Stärke und Vitamin C als Gerbstoffe Catechine und Tannine, die eine stark adstringierende, d.h. zusammenziehende Wirkung besitzen. Als Aufguss zubereitet dient er als Gurgelmittel bei Entzündungen und Blutungen im Mund- und Rachenraum, zur Wundbehandlung für Umschläge und Teilbäder. In der Volksmedizin kennt man den Tee als Mittel bei Durchfällen und inneren Blutungen. Vor Selbstmedikation wird jedoch gewarnt, da der Schlangenknöterich Oxalsäure enthält, die in höheren Konzentrationen zu Nierensteinbildung führen kann. Auch die nordamerikanischen Indianer kannten die Heilwirkungen des Schlangenknöterichs, wie H.J. Stammel in seinem Buch über die Apotheke Manitous berichtet. Missouri-Stämme sollen mit einem als Paste auf Zahnfleisch und kariöse Zähne aufgebrachten Wurzelbrei sogar eine erfolgreiche Kariesbehandlung durchgeführt haben. In der Küche finden die Blätter des Schlangenknöterichs Anwendung als Spinatersatz, das Rhizom wird als Gemüse oder Bratlinge zubereitet, in Russland und Nordamerika in gerösteter Form. Auch hier ist Vorsicht wegen des Oxalsäuregehalts geboten.

Der Schlangen-Knöterich im Karlsgarten bekommt gerade Bienenbesuch.

Schlangenknöterich ist wegen seiner hübschen Blüten eine beliebte Gartenpflanze und Bienenweide. Wer die schöne Blütenpracht im eigenen Garten haben möchte, dem empfiehlt der Handel übrigens die Sorte „Superbum“, die noch reicher blüht als die Wildpflanze.


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zuletzt bearbeitet am 23.VII.2017