15. Juni 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Kiebitz, ein unverkennbarer Charaktervogel der offenen Kulturlandschaft

Karl Josef Strank

Gelegentlich ist auf unseren Feldern ein etwa taubengroßer Vogel zu sehen, der lange rote Beine und eine fedrige Haube am Hinterkopf hat, Feder-holle genannt, und schwarz und weiß gefärbt ist. Schwarz sind Stirn, die lang nach hinten abstehenden Federn der Holle, Kehle, Brust, Rücken – mit grünlichem Metallglanz – und die Flügelschwingen. Weiß sind der Hinterkopf und der Rumpf auf der Unterseite. Seine Flugkünste mit schnellen Wendungen in der Luft sind über den Äckern zu beobachten. Auf diesen stehen im Frühjahr einzelne, flache Wassertümpel, von denen es in unserer Gegend einige gibt und das Überbleibsel von Bergsenkungen infolge des ehemaligen Kohlebergbaus sind. Bei dem Vogel handelt es sich um den Kiebitz.

Für die Brut benötigt er flache, weithin offene, baumarme und wenig strukturierte Flächen mit fehlender oder kurzer Vegetation. Seine Vorliebe für die flachen Tümpel ist auch damit zu erklären, dass diese und ihr Umfeld im Frühjahr eine geringe Vegetationshöhe aufweisen. Die heutige Bodenbearbeitung auf den Kulturflächen führt zum gleichen Ergebnis, so dass die Vögel für die Brut oft auf die Felder ausweichen. Der Kiebitz ist in der Lage eine Vielzahl von Biotopen zu besiedeln: Seggenriede, Pfeifengraswiesen, Mähwiesen, Viehweiden, Heideflächen, Flugplätze, Ackerland, aber auch Schotter- und Ruderalflächen, Rieselfelder, abgelassene Fischteiche, Erd- und Kiesabgrabungen und Hochmoore. Waren Kiebitze früher ausschließlich Feuchtbrüter, findet heute die Mehrzahl der Bruten auf trockenem Untergrund statt. Der Kiebitz heißt wissenschaftlich Vanellus vanellus und gehört zur Familie der Regenpfeifer. Regional wird er auch als Kiwitt, Riedschnepfe oder Muttergottestaube bezeichnet. Er ist ein Kurzstreckenzieher. Häufig bleibt er in milderen Wintern vor Ort und fliegt nicht in die Winterquartiere in Frankreich, Großbritannien oder Spanien.

Im März zeigen die Männchen ihre akrobatischen Balzflüge, um die Weibchen zu beeindrucken und für sich zu gewinnen. An der „Federholle“ unterscheiden sich die Geschlechter – Männchen haben eine lange, Weibchen eine kürzere Holle.

Zwischen April und Mai legt das Weibchen vier birnenförmige, olivbraune, schwärzlich gefleckte Eier in eine flache Bodenmulde. Das Nest ist an offenen Stellen mit kurzer Vegetation und guter Rundumsicht platziert. Die Küken schlüpfen nach 26 bis 29 Tagen. Sie sind Nestflüchter. Ihr erdfarbenes Federkleid tarnt sie gut, bei Gefahr drücken sie sich bewegungslos an den Boden, bis die Altvögel Entwarnung geben. Nach etwa vier Wochen sind die Jungen flügge. In der Regel macht der Kiebitz eine Jahresbrut. Unter widrigen Umständen und bei Totalverlust erfolgen häufig Nachbruten.

Der Kiebitz ruft in verschiedenen Variationen, lautmalerisch ähneln sie seinem Namen. Als Kontaktlaute kie-wi, chä-chuit oder wit-wit-wit-wit. Im Flug ist ein chiu-witt zu vernehmen.

Die Hauptnahrung der Kiebitze sind Würmer sowie Insekten und deren Larven. Samen und Früchte von Wiesenpflanzen, Getreide und Ackerwildkräutern bereichern ebenso ihren Speiseplan. Unbedingt benötigen sie Wasserstellen, denn sie müssen regelmäßig trinken, weil sie sonst ihre Nahrung nicht verdauen können.

Hauptursache für den Rückgang der Bestände ist die Zerstörung des ursprünglichen Lebensraumes, die notgedrungen den Kiebitz zum Kulturfolger machte. Die Renaturierung von Flussauen und -niederungen und die Wiedervernässung von Feuchtwiesen sind vorrangige Schutzmaßnahmen zur Erhaltung des Lebensraums für diesen auffälligen Vogel unserer Kulturlandschaft.

Eine Eigenschaft, die Mitmenschen gelegentlich an den Tag legen, bezeichnet man als „kiebitzen“. Sie machen sich dadurch nicht unbedingt beliebt, denn man versteht darunter, zu spinksen und „den anderen in die Karten zu schauen“. Beim Skat geben solche am Spiel nicht beteiligte „Kiebitze“ oft auch noch gute Ratschläge, wie man richtiger gespielt hätte, was die Besserwisserei dann auf die Spitze treibt.

Vielleicht vermittelt die wie ein erhobener Zeigefinger anmutende Federholle beim Kiebitz den Eindruck eines strengen Schulmeisters und Besserwissers, vornehm ist es allemal.

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zuletzt bearbeitet am 23.VII.2017