16. Nov. 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Gekürt zum Pilz des Jahres 2017: Das Judasohr ist ein Vital- und Heilpilz

Detlef Sambale

Vital- und Heilpilze zählen zu den ältesten Naturarzneien der Menschheit. Im ostasiatischen Raum hat die Verwendung dieser Pilze eine sehr lange Tradition. Mit dem steigenden Interesse an der Traditionellen Chinesischen Medizin kommen auch die in Deutschland vorkommenden Pilze, die angefüllt sind mit Biovitalstoffen wie Polysacchariden, Polypeptiden, Mineralien, Spurenelementen, Vitaminen und Aminosäuren, verstärkt in den Fokus von gesundheitlicher Ernährung, Pharmazie und Medizin.

Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie hat das Judasohr zum Pilz des Jahres 2017 gewählt. Dieser Speisepilz mit botanischem Namen Auricularia auricula-judae (Bull.) Wettst. 1886, erinnert in Form und Konsistenz an eine Ohrmuschel und viele volkstümliche Namen aus dem deutschen Sprachraum beziehen sich darauf: Judasöhrlein, Judas sein Ohren oder auch Judenuhren aus dem norddeutschen Raum. Oreille de Judas (Ohr des Judas) ist der französische Name. Im asiatischen Raum bezeichnet man ihn als Wood Ear, Jews Ear oder Wolkenohrpilz. Wegen seines bevorzugten Vorkommens auf Holunder wurde er im Siebengebirge Hontertschwämmtchen und im Bayrischen Schwaben Holderschwämmle genannt. Ogeschwümmli (Augenschwämmlein) heißt er im Raum St. Gallen.

Der deutsche Name Judasohr leitet sich von folgender Überlieferung einer Legende ab. Nachdem der Jünger Judas Iskariot Jesus mit einem Kuss verriet, wählte er den Freitod und erhängte sich an einem Holunderstrauch. An dem Schwarzen Holunder (Sambucus nigra L.) wuchsen alsbald ohrmuschelartige Pilze.


schrumpft getrocknet zusammen: das Fleisch des Judasohres.

Bevorzugt erscheint dieser Schwächeparasit in milden Wintern und im Frühjahr auf dem Holunder. In dem südlichen Teil seines europäischen Areals kommt dieser Weißfäule verursachende Saprobiont (zieht die Nährstoffe aus totem Holz) auch auf anderen vorgeschädigten Laubgehölzen wie an Ahorn, Buche, Robinie und Weide vor.

Die äußerst dünnfleischigen Fruchtkörper sind braun, einen bis 13 Zentimeter im Durchmesser und stehen einzeln nebeneinander, können aber auch miteinander verwachsen sein. Der Stiel ist meist sehr kurz oder er fehlt völlig. Der Hut hat eine meist feinfilzige oder samtige Oberfläche. Die Rückseite ist feinkörnig, filzig und hat eine blassgraue Farbe. Das bräunlich durchsichtige Fleisch ist zäh, knorpelig und elastisch. Getrocknet schrumpft es sehr stark zusammen.

In China wird das Judasohr seit mehr als 2000 Jahren medizinisch verwendet. Die gesundheitliche Anwendung ist in Europa seit Jahrhunderten in alten Kräuterbüchern belegt. Es deutet darauf hin, dass auch die heilige Hildegard von Bingen (1098 bis 1180) diesen Pilz kannte, natürlich nicht unter dem heute gebräuchlichen Namen. Ihre Beschreibung und das Auffinden auf Holunderbüschen deuten darauf hin, dass es sich um das Judasohr handelt. Als Hollergrörling wird dieser Pilz in Hieronymus Bocks Kräuterbuch von 1551 zur Behandlung von Augenleiden sowie äußerlich bei Entzündungen empfohlen. Diese Wirkung ist auch in dem „Kreüterbuch“ von Adamus Lonicerus aus dem Jahre 1679 beschrieben: „Hollunderschwämme löschen und trucken nieder allerlei Hiz und Geschwulst, zuvor in Rosenwasser oder Wein gewicht und übergelegt.“

Neben der Hilfe bei Augen- und Schleimhautentzündungen unterstützt das Judasohr eine gesunde Durchblutung und verbessert die Fließfähigkeit des Blutes. Zudem wird der Prozess zur Aktivierung der körpereigenen Abwehr unterstützt.

Einen nahen Verwandten des Judasohres (Auricularia polytricha (Mont.) Sacc.1885) haben viele Menschen schon in Speisen, der asiatischen Küche gegessen der als Mu Erh, Mo Err oder als Chinesische Morchel serviert wird. Äußerlich sind sie nur durch mikroskopische Merkmale zu unterscheiden und werden auch im Handel selten voneinander unterschieden.

Als Speisepilz spielte das Judasohr in Deutschland kaum eine große Rolle. Er hat nicht viel Eigengeschmack, hat aber die tolle Fähigkeit, dass er die umgebenden Aromen gut aufnimmt und zum ungewöhnlichen Geschmacksträger avancieren kann. Der Vitalpilz bereichert Suppen, Salate, Soßen und passt zu Reis-, Fleisch-, und Fischgerichten.

 

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zuletzt bearbeitet am 1.I.2018