30. Nov. 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Eine mörderische Verwandtschaft im Büro: Die Birken-Feige

Joachim Schmitz

Weil sie ziemlich gut mit dem trocken-warmem Raumklima zurechtkommt, ist die Birken-Feige (Ficus benjamina) eine der beliebtesten Zimmerpflanzen. Ungültige, im Handel aber noch oft benutzte Synonyme, oder schlicht falsche Namen, sind Ficus benjamini, F. comosa, F. nitida, F. pyrifolia und F. retusa var. nitida. In ihrer Heimat Südostasien kann sie zu einem richtigen Baum heranwachsen und bekommt auch essbare, orangerote Früchte. Als Zimmerpflanze bringt sie allenfalls kleine, grüne Feigen hervor, die nicht reif werden, und die Pflanze erreicht nur wenige Meter Höhe.

Die jungen Triebe können leicht zu kuriosen Wuchsformen erzogen werden, z. B. zu drei sich gegenseitig umschlingenden Stämmen, oder können einzeln in eine spiralig gewundene Korkenzieherform gebracht werden. Es handelt sich dabei aber nicht um eine erbfeste Zuchtform wie die Korkenzieherform bei Weiden oder Haseln.

Die Stämme der Birken-Feige bilden leicht Symphysen aus, d. h. angeschnittene, fest zusammengebundene Triebe wachsen vollständig zusammen. So lassen sich regelrechte Baumskulpturen aus mehreren netzartig verbundenen Stämmen erzeugen.

Die Birken-Feige gehört der Untergattung Urostigma an. Für die sind ausgeprägte sprossbürtige Wurzeln typisch. Es entspringen also hoch am Stamm Luftwurzeln, die nach unten wachsen. Sie verholzen schnell, und wenn sie den Boden erreicht haben, wurzeln sie ein und wachsen zu Stämmen heran, die genauso dick wie der wirkliche Stamm werden können. In der trockenen Raumluft bildet die Birken-Feige bei uns keine Luftwurzeln aus. Im Gewächshaus - vor allem bei Bonsai-Kultur - macht sie das sehr wohl, wodurch recht bizarre Wuchsformen entstehen können.

Andere Arten der Untergattung Urostigma zeigen noch viel ausgeprägtere sprossbürtige Bewurzelung, die sie auch aggressiv gegen unliebsame Konkurrenz einsetzen. Die sogenannten Würgefeigen sind meistens Epiphyten, keimen also zunächst auf anderen Bäumen und schicken Wurzeln entlang des Baums, auf dem sie gekeimt sind, nach unten. Wenn die Wurzeln den Boden erreicht haben, wandeln sie sich zu Stämmen um, die zuletzt den anderen Baum komplett einschließen. Dadurch wird der Druck auf den zentralen fremden Baum immer größer, bis die Leitungsbahnen völlig zugeklemmt sind und der Baum abstirbt. Dadurch werden sie nicht nur Konkurrenz los, sondern können auch noch den Humus aus der zerfallenden Baumleiche als Dünger nutzen.

In dieser Beziehung absoluter Spitzenreiter ist die Banyan-Feige (Ficus benghalensis). Vom Hauptstamm gehen aufsteigende bis fast waagerechte Zweige ab, die in regelmäßigen Abständen Luftwurzeln zu Boden schicken. Die werden dann sekundär zu Stämmen und das Spielchen geht immer weiter so fort. So werden alle konkurrierenden Bäume zum Absterben gebracht und eine einzige Banyan-Feige kann eine riesige Fläche einnehmen. Was von außen wie ein Wald aussieht, kann nur eine einzige Feige sein. Der größte bekannte Einzelbaum ist der Thimmamma Marrimanu im indischen Anantapur, der ca. 1,9 ha Fläche einnimmt. Die Banyan-Feige ist tief in der indischen Mythologie verwurzelt und gilt als offizieller Nationalbaum Indiens. Auch im indonesischen Staatswappen (coat of arms) taucht die Banyan-Feige auf.

 

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zuletzt bearbeitet am 1.I.2018