25. Jan. 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Tee erfreut die Seele und macht das Leben schöner

Ruth Gestrich-Schmitz

Kein richtiger Winter, nur graue Suppe draußen. Dann braucht man etwas, das die trübe Stimmung ein wenig erhellt. Die angenehme, stimulierende Wirkung einer Tasse Tee kann dabei helfen. Umso mehr, wenn man dieses heiße Getränk bei einer Teezeremonie in geselliger Runde genießt. So wie in Ostfriesland bei den Weltmeistern im Teetrinken mit durchschnittlich dreihundert Litern pro Person und Jahr.

Während eines Urlaubs in Ostfriesland lernte ich die dortige Teezeremonie kennen: Der Ostfriesentee, eine kräftige Mischung meist aus den Sorten Assam, Ceylon, Java und Sumatra, wird in einer vorgewärmten Kanne mit kochendem Wasser übergossen. In eine feine Porzellantasse wird ein Stück Kluntje (Kandiszucker) gelegt, das beim Eingießen knistert. Mit einem speziellen Löffel legt man vorsichtig Sahne auf den Tee, so dass sich eine Wolke bildet. Der Tee darf nicht umgerührt werden! So ist der Geschmack zuerst sanft, dann herb und zum Ende hin immer süßer. Am besten schmeckt dazu ein Stück ostfriesischer Butterkuchen. Die Ostfriesische Teekultur wurde 2016 von der Deutschen UNESCO-Kommission in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

Woher der Teestrauch (Camellia sinensis) ursprünglich stammt, ist nicht genau bekannt. Die Varietät sinensis ist in China eine alte Kulturpflanze, die wohl schon zu Zeiten der Qin Dynastie vor ca. 5000 Jahren angebaut wurde. Die Varietät assamica ist in Nordindien beheimatet. Die Teepflanze gedeiht am besten in tropischem bis subtropischem Klima. Hauptanbaugebiete sind heute China, Indien, Sri Lanka, Kenia und die Türkei. Camellia sinensis ist eng verwandt mit der hübschen Kamelie (Camellia japonica) und gehört zur Familie der Teestrauchgewächse (Theaceae). Der Teestrauch kann bis zu fünfzehn Meter hoch wachsen. In Kultur wird er niedriger gehalten, um einen buschigen Wuchs zu erzeugen und die Blatternte zu erleichtern. Die glänzend dunkelgrünen, länglich-eiförmigen Blätter sind am Rand deutlich gesägt. Die Blüten mit sechs bis acht weißen Kronblättern und zahlreichen gelben Staubblättern duften stark. Aus ihnen entwickeln sich abgeflachte Kapselfrüchte mit ein oder zwei rundlichen braunen Samen. Für den Teegenuss erntet man die jungen Triebe und Blätter. Geruch und Geschmack der verschiedenen Teesorten werden von Klima, Boden, Jahreszeit der Ernte und der weiteren Behandlung der Teeblätter bestimmt: Ob unfermentierter grüner, halbfermentierter Oolong- oder fermentierter schwarzer Tee, alle entstammen derselben Teepflanze. Das Zusammenspiel der Inhaltsstoffe (Koffein = Thein, Theobromin, Theophyllin, Gerbstoffe, Flavonoide, Aromastoffe) führt zu einer nach und nach belebenden Wirkung. Die angenehm stimulierende Wirkung einer Tasse Tee „erfreut die Seele und macht das Leben schöner“, so schrieben chinesische Philosophen. Aus dieser Anschauung entwickelte sich die feierliche Handlung der Teezeremonie. Bei der chinesischen Zeremonie werden die Teeblätter mehrmals hintereinander aufgegossen: Der erste Aufguss dient nur zum Anwärmen der Trinkschalen. Die folgenden Aufgüsse, je nach Qualität des Tees bis zu sechs Mal oder mehr, schmecken erst fein, dann kräftiger und zum Schluss wieder milder. Das Ritual der traditionellen japanischen Teezeremonie ist bis ins kleinste Detail festgelegt. Im Teezimmer genießt man auf Tatami-Matten kniend den von der Gastgeberin feierlich zubereiteten Matcha-Tee, der aus gemahlenen grünen Teeblättern besteht.


Chinesische Teezeremonie in Chengdu

Die Niederländer brachten im 17.Jh. den Tee auf dem Seeweg nach Europa. Ebenfalls im 17.Jh. gelangte der Tee über einen Karawanen-Handelsweg von China nach Russland, wo er traditionell mit dem Samowar serviert wird: Eine Kanne mit einem sehr kräftigen Aufguss steht auf einem Kessel mit kochend heißem Wasser. Das Teekonzentrat wird in der Tasse mit dem Wasser nach Belieben verdünnt. Auch der türkische Tee wird als Konzentrat aufgebrüht, hier trinkt man den Tee traditionell aus tulpenförmigen Gläsern. Und nicht zu vergessen der britische five o´clock tea: Kräftige Teesorten wie Assam oder Ceylon oder der mit Bergamotte-Öl aromatisierte Earl Grey werden gerne mit viel Milch getrunken. Zum Tee genießt man in geselliger Runde süße oder herzhafte Leckereien: Beim cream tea werden scones (süße Brötchen) mit clotted cream (dickem Rahm) und Erdbeerkonfitüre gereicht, beim high tea zusätzlich herzhafte Speisen.

 

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zuletzt bearbeitet am 28.III.2018