8. März 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Zeigt her eure Schnäbel und ich sage euch, was ihr gerne fresst

Ruth Gestrich-Schmitz

Wer Vögel am Futterhäuschen, im Garten oder in der freien Natur beobachtet, dem fällt auf, dass bei den einzelnen Vogelarten ganz unterschiedliche Nahrung auf dem Speiseplan steht. Ob kleine oder große Samen, Insekten oder Mäuse, für jedes Futter gibt es in der Vogelwelt den passenden Schnabel. Der Vogelschnabel ist leicht und dennoch stabil. Er verrät viel über die Lebensweise der jeweiligen Vogelart.

Amseln, auch Schwarzdrosseln genannt, hüpfen gerne über die Wiese, wenn sie frisch gemäht ist und suchen dort, wie auch unter Laub, nach Regenwürmern, Schnecken und Insekten. Auch Beeren und andere Früchte mögen sie gerne. Mit ihrem länglichen, spitz zulaufenden, schmalen Schnabel, der an eine Pinzette erinnert, können sie Würmer aus dem Boden ziehen, ihre weiche Nahrung aufspießen und verspeisen. Zu den Weichfressern mit Pinzetten-Schnabel gehören auch andere Drosseln, Rotkehlchen, Stare, Zaunkönige, Kleiber, Heckenbraunellen, Baumläufer oder Spechte. Als Winterfutter eignen sich für diese Vogelarten getrocknete Beeren, Rosinen, Haferflocken, auch frische Äpfel und Birnen.

Körnerfresser besitzen einen Kompakt-Schnabel: kurz, kräftig, kegelförmig, eine Art Nussknacker. Meisen, Buch- und Grünfinken, Spatzen, Kernbeißer, Zeisige, Stieglitze, Dompfaffen knacken damit die Schalen von Samen aller Art und fressen den darin liegenden Kern. Vögel mit Kompakt-Schnabel kann man im Winter häufig am Vogelhäuschen beobachten, wo sie sich gerne mit Sonnenblumenkernen, Lein- und Hanfsamen, Mohn und Buchweizen füttern lassen.

Enten und Schwäne haben einen löffelförmigen Schnabel mit feinen lamellenartigen Strukturen an den seitlichen Rändern, mit denen sie Gras oder Wasserpflanzen leicht packen und abreißen können. Beim Gründeln sammeln sie unter Wasser und am Grund mit geöffnetem Schnabel Nahrung, neben Pflanzen auch Insekten, Muscheln oder Krebstiere. Durch die Lamellen wird das Wasser herausgepresst, die hängengebliebene Nahrung anschließend geschluckt.

Raubvögel wie Bussarde, Habichte, Falken, Sperber, Adler oder Eulen sind mit einem kräftigen, stark gebogenen Haken-Schnabel ausgestattet. Nachdem sie mit ihren scharfen Krallen ihre Beute gefangen haben, wird sie mit dem Haken-Schnabel aufgerissen und in schnabelgerechte Happen zerteilt.

Der Graureiher erbeutet Fische, Frösche oder Mäuse mit seinem langen, spitzen, dolchförmigen Schnabel. Solche Schnäbel Fisch-fressender Vögel sind häufig mit kleinen Widerhaken an den inneren Schnabelrändern ausgestattet, um die Beute besser festhalten zu können.

Einen kräftigen, kantigen Allesfresser-Schnabel besitzen Vögel, die sich nicht auf eine besondere Nahrung spezialisiert haben. „Ihr Schnabel ist wie eine Kombi-Zange für verschiedene Nahrung und sieht auch nicht speziell aus“, sagt Peer Cyriacks, Ornithologe der Deutschen Wildtier Stiftung. Eichelhäher, Dohlen oder Elstern gehören zu diesen Vögeln, die ein breites Nahrungsspektrum haben, beispielsweise Würmer, Insekten, Aas, Eicheln, Nüsse, Bucheckern oder auch Abfälle.

Bei einigen Vogelarten findet man besonders charakteristische Schnäbel: Beim Fichtenkreuzschnabel überkreuzen sich Ober- und Unterschnabel an den Enden, was ihn dazu befähigt, die Schuppen der Nadelbaumzapfen aufzubiegen, um an die Samen zu gelangen. Vögel wie Kolibris oder Nektarvögel, die sich auf das Schlürfen von Blütennektar spezialisiert haben, brauchen dazu einen langen, schlanken Schnabel.

Neben der Nahrungsaufnahme hat der Vogelschnabel noch weitere wichtige Funktionen: Die Vögel brauchen ihn zur Gefiederpflege, als Kletterhilfe, zum Graben von Bruthöhlen, zum Nestbau, zum Füttern des Nachwuchses. Wenn die Tage wieder wärmer werden, beginnen die Vögel mit der Balz. Auch dabei spielt der Schnabel eine wichtige Rolle: Ganz bekannt ist das Klappern der Störche. Papageien, Sittiche und Kolkraben nähern sich einander und kraulen ihrem Partner die Kopffedern. Manche Vögel tragen während der Balzzeit nicht nur ein prächtiges Gefieder, auch ihre Schnäbel verfärben sich oder bilden wie beim Papageientaucher auffällig gefärbte Wülste.

 

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zuletzt bearbeitet am 28.III.2018