17. Mai 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Laufkäfer: lautlos auf dem Boden statt brummend durch die Lüfte

Karl Josef Strank

Viele kennen noch das alte Volkslied „Maikäfer flieg, dein Vater ist im Krieg, die Mutter ist in Pommerland, Pommerland ist abgebrannt, Maikäfer flieg.“ Es nimmt Bezug auf die Tatsache, dass vor allem Kinder die früher oft in Massen auftretenden Maikäfer sammelten und dann wieder freiließen. Mit beeindruckend lautem Gebrumm flogen sie dann davon. Das Lied stammt wohl schon aus dem Dreißigjährigen Krieg und erhielt dann mit obigem Text Ende des Zweiten Weltkriegs neue Aktualität. Käfer sind Insekten, und in der Regel können sie fliegen. Wir wollen aber heute die Aufmerksamkeit auf Käfer lenken, die nicht brummend fliegen, es teilweise sogar nicht mehr können, sondern sich eher lautlos auf dem Boden bewegen. Für diese Gruppe müsste das Lied „Lauf Käfer, lauf“ heißen, denn sie werden auch systematisch als Laufkäfer bezeichnet. In dem Buch von Ernst Hofmann „Der Käfersammler“ aus dem Jahr 1883, das „dem Anfänger und Liebhaber der Käfer über 500 möglichst treu nach Originalen gezeichnete größere Arten“ vorführt und ihn lehrt, „die Fundplätze und Eigentümlichkeiten derselben“ zu kennen, werden die Laufkäfer wie folgt charakterisiert: „Große Familie langbeiniger, schnell laufender Räuber, die meist schwarz gefärbt sind, unter Steinen, Moos, Baumrinden leben und durch Vertilgen vieler Insekten und deren Larven in Forsten, Gärten und auf Äckern sehr nützen. Ebenso nützlich sind auch ihre Larven, welche an ähnlichen Plätzen und im Miste von tierischen Stoffen leben.“

Die Laufkäfer sind robust gebaut. Auf einer relativ breiten Brust und einem langen Hinterleib sitzt vorne ein vergleichsweise schmaler Kopf, an dem aber die zangenartig ausgebildeten, kräftigen Kiefer auffallen. Schon die Larven haben diese klauenartigen Zangen, mit denen sie ihre Beute packen. Die Laufkäfer leben durchweg räuberisch und sind nicht auf bestimmte Beutetiere beschränkt. Sie nehmen, was sie überwältigen können. Die Bezeichnung hierfür lautet „polyphag“. Einziger Vegetarier unter all den Fleischfressern ist der Haarrand-Schnelllaufkäfer, Harpalus affinis, mit gelbroten Fühlern und Beinen, den man auch schon mal in Komposthaufen erwischen kann. Der größte Laufkäfer unserer Breiten ist der drei bis vier Zentimeter große Carabus coriaceus, der Lederlaufkäfer. Er lebt in feuchten Laubwäldern, Kiefernmischwälder, Gärten, Hecken und auch auf Magerrasen. Er ist vorwiegend nachtaktiv und flugunfähig, da seine Flügeldecken verwachsen sind. Er frisst Schnecken, Insekten, Würmer und Aas. Ab Mitte Mai legen die Käfer eine Sommerruhe ein. Im Herbst werden die Eier gelegt, und die Larven überwintern. Ihre Entwicklungsdauer beträgt in nördlichen Breiten und den Alpen mehrere Jahre. Die erwachsenen Käfer, Imagines, können zwei bis drei Jahre alt werden. Der kleine Puppenräuber, Calosoma inquisitor, gehört zu den Schön-Laufkäfern. Mit dem breiten Abdomen wäre er nach menschlichen Schönheitsmaßstäben ein fescher junger Mann mit breiten Schulterklappen. Als effektiver Raupenvertilger kann er bei Schwarmspinner- und Eichenwickler-Kalamitäten in unseren Wäldern in hoher Individuendichte vorkommen. In Nordamerika ist er deswegen zur biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt worden. Carabus hortensis, der Garten-Laufkäfer, trägt einen irreführenden Namen, da er kaum in Gärten vorkommt. Als nachtaktiver Räuber ist er etwa in Parks, Auwäldern, Kahlschlägen und Hecken anzutreffen.

Pterostichus melanarius, der Gemeine Grabkäfer, und Carabus cancellatus, die Körnerwarze, meistens mit einem ersten roten Fühlerglied, sind tag- und nachtaktive Laufkäfer, die durchaus auch im Garten zu finden sind und dort einige Insekten und Schnecken fressen.

Laufkäfer sind überaus nützlich und verdienen unsere Aufmerksamkeit. Ihre Lebensbedingungen im Garten können verbessert werden, indem man einen Totholzhaufen anlegt oder indem zum Schutz der Käfer nicht alle Holz- und Rindenstücke oder Bodenlaub entfernt werden. Käfer, die im Haus oder in der Garage hilflos umherlaufen und kein Versteck finden, sollten in den Garten zurückgesetzt werden, wo sie als wirksame Nützlinge tätig sind.“

 

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zuletzt bearbeitet am 26.VII.2018