28. Juni 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Wie sich Pflanzen und Tiere vor Sommerhitze schützen

Karl Josef Strank

Im Sommer zieht es viele Menschen an die See oder aufs Land. Im vorigen Jahrhundert gingen die wohlhabenden Bürger, die wegen der Geschäfte in der Stadt lebten, in die „Sommerfrische“. Heute machen wir Urlaub. Könige und Fürsten zog es ebenfalls in die Sommerresidenzen, meist Schlösser in ländlicher Umgebung. Pflanzen und Tieren geht es ähnlich. Einigen sind die Sommermonate zu heiß und zu trocken. Doch Pflanzen sind fest an ihren jeweiligen Standort gebunden, Tiere nicht ganz so extrem, weil sie beweglich sind. Wie also reagieren sie auf diese nicht ganz so zuträgliche Zeit?

Perfekt angepasst

Es gibt bei uns eine Pflanze, die im Frühjahr mit ihren Blättern erscheint, die dann aber auch vor dem Sommer verwelken, so dass nichts mehr von ihr zu sehen ist. Den Sommer überdauert sie mit ihrer Knolle, die tief im Boden sitzt. Erst zum Herbst hin schiebt sich eine einzige, vergleichsweise zarte blauviolette Blüte ans Licht. Es ist die Herbstzeitlose, Colchicum autumnale, die diesen Lebensrhythmus hat. Eigentlich stammt sie aus dem östlichen Mittelmeerraum und Innerasien. In ihrer Heimat (Colchis, antike Bezeichnung für die Schwarzmeerregion) ist nicht wie bei uns der Winter, sondern der trockene Sommer die Jahreszeit der Vegetationsruhe. Die Art konnte sich bei uns verbreiten, weil die Arbeitsweise in der Landwirtschaft für eine zweischürige Wiese perfekt an die Sommerruhe angepasst ist. Die vegetative Phase der Herbstzeitlosen ist vor der ersten Mahd abgeschlossen und die Blüten erscheinen erst nach der zweiten Mahd.

Viele Orchideen unserer heimischen Flora sind aus dem Mittelmeerraum eingewandert. Die durch Schafe beweideten, mitunter im Sommer sehr trockenen Magerrasen sind ihr Lebensraum. Die Bienen-Ragwurz, Ophrys apifera, hat sogar nördlich der Alpen den passenden Bestäuber verloren. Daher funktioniert nur noch die Selbstbestäubung, indem sich schließlich die Stielchen der Pollenpakete krümmen, dass sie die eigene Narbe berühren. Auch viele Knabenkräuter, die heute den Gattungen Orchis, Anacamptis und Neotinea zugeordnet werden, legen in den Sommermonaten ihre Vegetationsruhe ein. Im Spätherbst treiben sie aus den Blattrosetten aus, überwintern und können so im nächsten Jahr relativ früh die Blütenstände bilden. Sie laufen dabei natürlich Gefahr von den zuletzt immer häufiger auftretenden Spätfrösten erwischt zu werden.

Ein sehr kleines und feines Gras, Aira praecox, die frühe Schmiele, das sehr leicht übersehen wird, wächst in den Sandheiden des Niederrheins und der niederrheinischen Bucht, ganz in der Nähe etwa in der Brunssumer Heide oder auf den Köpfen der Buntsandsteinfelsen im Rurtal. Sie ist einjährig, keimt und treibt die ersten Blättchen im Herbst. Nach der Überwinterung blüht und fruchtet die Art im Frühjahr und ist im Sommer komplett abgestorben. Die ungünstige Jahreszeit übersteht sie in der Samenruhe. Der Felsen-Gelbstern, Gagea bohemica ssp. saxatilis, wächst an mikroklimatisch sehr begünstigten Schieferfelsköpfen der unteren Mosel. Er zeigt das gleiche Muster, Austrieb im Herbst, Überwinterung, frühe Blüte im März. Den heißen und trockenen Sommer überdauert er mit den Zwiebeln im Boden.

Tiere, insbesondere Reptilien, haben ebenfalls Strategien entwickelt die sommerliche Hitzeperiode unbeschadet zu überstehen. Als wechselwarme Wirbeltiere hätten sie in regenarmen und sehr heißen Lebensräumen wie der Macchie, den Halbwüsten oder Wüsten keine Chance ohne die Sommerruhe zu überleben.

Schildkröten, Schlangen und Echsen vergraben sich im Boden oder nutzen verlassene Nagerbauten als Unterschlupf. In dieser Zeit nehmen sie keine Nahrung auf, halten aber ihre Körpertemperatur.

Mit dem Sommerschlaf reagieren die Tiere auf ungünstige äußere Einflüsse. Die Dauer richtet sich nach den Witterungsbedingungen und beträgt von wenigen Wochen bis zu drei Monaten. Bemerkenswert ist, dass trotz sehr hoher Umgebungstemperaturen, teilweise bis über 40 Grad, sie den Stoffwechsel so stark reduzieren, dass sie während der gesamten Zeit nicht an Gewicht verlieren. Ganz anders der Winterschlaf, denn dabei senken die Tiere die Körpertemperatur und verlieren erheblich an Gewicht.

 

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zuletzt bearbeitet am 26.VII.2018