21. Juni 2018
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Johanniskraut: Eine uralte Heilpflanze, die an Wunder glauben lässt
Karl Josef Strank
Wenn am 24. Juni der Johannistag gefeiert wird, ist nach der Sonnenwende am 21. Juni das Jahr so gerade über den Höhepunkt hinweggeschritten. Auch wenn der Sommer noch bevorsteht, die Tage werden langsam wieder kürzer. Wenn die Gartenhecken bis dahin geschnitten sind, gibt es in den verbleibenden Monaten des Jahres zwar noch einmal einen neuen Austrieb, den sogenannten Johannistrieb, die Vögel setzen mitunter noch einmal ein Gelege an, aber das Hauptbrutgeschäft ist abgeschlossen. Im Garten sind die Kirschen und die Johannisbeeren reif und der Spargel hat Ruhe, damit er seine Triebe belauben und für den Rest des Jahres seinen Wurzelstock regenerieren kann.
Auch das Johanniskraut blüht jetzt. Es fällt durch eine Vielzahl gelber Blüten am Stängelende auf. Die gegenständigen, elliptischen Blätter sind, gegen das Licht gehalten, auf der Fläche mit kleinen hellen Öldrüsen perforiert. Daher auch der wissenschaftliche Name Hypericum perforatum. Die vielen Staubfäden stehen gehäuft in drei bis fünf Bündeln um den drei- bis fünffächrigen Fruchtknoten, der unzählige winzige Samen enthält. Den Namen Hartheu hat das Johanniskraut, weil die Stängel schnell verholzen und mit den Blütenständen der winterlichen Witterung standhalten und lange bis in den Frühling stehen bleiben. Zerreibt man eine Blüte oder Knospe, überrascht die intensive rote Färbung, die diese annehmen. Traditionell wurde das Johanniskraut deshalb auch zum Färben verwendet.
Die getüpfelten Blätter und die rote Färbung der Blüten haben natürlich die Fantasie der Menschen angeregt und so ranken sich viele Legenden um das Johanniskraut. Der rote Saft gilt als das Blut Christi. Jesus ist am 24. Dezember geboren und der Täufer Johannes, der ein halbes Jahr älter ist, demnach am 24. Juni, dem Johannistag. Salome forderte bekanntlich von Herodes die Enthauptung des Täufers. Bei der Symbolik des Johanniskrauts ist also viel Blut im Spiel.
Legt man die Blüten in Öl ein und stellt sie einige Wochen in die Sonne, erhält man das rubinrote Johanniskrautöl, das sowohl äußerlich wie innerlich angewendet werden kann. Die Pflanze enthält eine Reihe sehr wirksamer Einzelsubstanzen, die sich synergetisch in ihrer Wirkung zu einem komplexen Heilmittel ergänzen. Als Hauptinhaltsstoff, der auch für die Rotfärbung verantwortlich ist, wurde Hypericin nachgewiesen. Der Stoff ist in den Öldrüsen und den Blüten zu finden. Er ist photosensibel und wirkt im Gehirn auf Botenstoffe und auf die Melatoninproduktion in der Zirbeldrüse. Er wird somit verantwortlich gemacht für die antidepressive Wirkung des Johannisöls. Schon in der Antike bekannt, gilt Johanniskraut seit Paracelsus als das Heilmittel gegen Schwermut oder Depression und allen damit verbundenen nervlichen und körperlichen Problemen.
Ein weiterer Wirkstoff ist das Hyperforin, das für die antibiotische Qualität des Johanniskrautöls verantwortlich ist und die Wirkung als Wundheilmittel unterstreicht. Chemisch ist Hyperforin mit den Bitterstoffen des Hopfens verwandt, was auch zur beruhigenden Wirkung des Johanniskrauts beitragen dürfte.
Weitere Inhaltsstoffe sind Flavonoide, die eine Bedeutung für das Immunsystem und die Körperabwehr haben. Liest man die Liste der Eigenschaften, so kann man nur mit Erstaunen feststellen, welche vielfältigen Heilwirkungen das Johanniskraut entwickelt. Es wirkt antibakteriell und antiviral zur Wundbehandlung und bei Erkältungskrankheiten, anthelminthisch als Wurmmittel, innerlich und äußerlich entzündungshemmend, schmerzlindernd bei Nervenschmerzen und Neuralgien, adstringierend und blutstillend, die Gefäße schützend, reizmildernd, sekretionsanregend, menstruationsfördernd, krampflösend, harntreibend, schleimlösend und ebenso beruhigend wie entspannend.
Der Legende nach soll der Teufel, weil das Johanniskraut die Seelenschmerzen der Menschen lindert und sie nicht ihm überlässt, sich so sehr geärgert haben, dass er in seiner Wut die Blätter mit einer Nadel durchlöchert hat.
zuletzt bearbeitet am 26.VII.2018