26. Juli 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Wendige Segelflieger, die fast immer in der Luft sind

Karl-Josef Strank

Während des Sommers ziehen bei uns am Himmel viele Vögel ihre Kreise. Erste Aufmerksamkeit fordern im zeitigen Frühjahr die Kraniche, wenn sie in ihren langgezogenen Formationen laut rufend den Sommerquartieren entgegenfliegen. Ab Mai, wenn das Wetter beständiger und wärmer wird, kommt ein anderer, schwalbenähnlicher Vogel mit sehr charakteristischem Ruf zu uns, der – man ahnt es – natürlich keine Schwalbe ist.

Er ist fast nie allein anzutreffen, sondern immer mit mehreren Artgenossen in einer größeren Schar bis zu kleinen Schwärmen unterwegs. Sie fliegen mit einem rasanten Tempo und schnellen, oft ruckartigen Wendungen um die Häuser, durch die Gärten und steigen vor allem in der Dämmerung in so luftige Höhen auf, dass man sie kaum noch sehen, aber immer noch ihr schrilles Rufen hören kann.

Der durchdringende hohe Schrei wird lautmalerisch als „sirrr“, „srieh“ oder „birss“ beschrieben. Es hört sich fast wie Zirpen an in einem eigenartig aufbrausenden Konzert, wenn sie zu mehreren mit enormer Geschwindigkeit und typischem Dopplereffekt heranrauschen und sich ebenso schnell wieder entfernen. Diese eigenartigen „Schwalben“ sind Mauersegler.

Segler sind die am besten an das Fliegen angepassten Vögel. Die auch in der Silhouette gut erkennbaren langen, sichelförmigen Flügel und der kurze gegabelte Schwanz sind ursächlich für den extrem schnellen und wendigen Gleitflug, der nur durch wenige flache Flügelschläge unterbrochen wird. Bei diesen Fähigkeiten verwundert es nicht, dass die Segler ihr Leben fast ständig in der Luft und im Flug verbringen. Mauersegler sind Langstreckenzieher und überwintern in Äquatorial- und Südafrika. Kommen sie Anfang Mai zu uns, ziehen sie schon Ende Juli/Anfang August wieder nach Süden.

Infolge ihres exzellenten Flugvermögens sind Mauersegler fast nie auf dem Boden anzutreffen. Kommt es dennoch vor, bewegen sie sich unbeholfen mit einem eidechsenartigen Gang. Bei schlechtem, nasskaltem Wetter sieht man sie schon mal in dichten Trauben zusammengedrängt an Hauswänden unterhalb der Dachtraufe, wo sie ihre Nester bauen und sich mit ihren spitzen Krallen in Ritzen und Spalten festklammern.

Schon Aristoteles beschrieb die unterentwickelten Füße der Segler und Albertus Magnus war der Meinung, sie hätten gar keine, was sie dazu zwänge, sich auf dem Boden mit den Ellbogen der Flügel und auf dem Bauch rutschend wie Fledermäuse zu bewegen. Der Gattungsname Apus, was „der Fußlose“ bedeutet, nimmt darauf Bezug. Dem ist natürlich nicht so, Segler sind sehr wohl in der Lage – freies Flugfeld vorausgesetzt – sich vom Boden in die Luft zu erheben.

Nahrung finden die Segler ebenfalls in der Luft. Sie haben zwar einen kurzen Schnabel, können diesen aber dank eines breiten Mundspalts weit öffnen. Wie ein Walhai im Wasser mit weit aufgerissenem Mund durchpflügen die Mauersegler die Luft und ernten unzählige Insekten, das „Luftplankton“, das sie zu Futterballen verklumpen und an die Brut verfüttern. Diese bleiben bei schlechtem Wetter aber auch schon mal einige Tage ohne Nahrung allein im Nest. Dann unternehmen die Eltern sogenannte „Wetterflüge“, die sie unter Umständen weit von den Nestern wegführen. Bei diesen Manövern kommen Flugleistungen von mehreren hundert bis manchmal über tausend Kilometer zustande, wenn sie weiträumig den Schlechtwettergebieten ausweichen. Die Nestlinge überstehen diese Perioden durch die Herabsetzung von Körpertemperatur und Atmungsfrequenz.

Paaren sich in der Luft

Es wundert bei dem erstaunlichen Flugvermögen der Mauersegler nicht, dass die Partner sich in der Luft paaren und, wenn sie nachts in Kreisen in den Himmel steigen, im Gleitflug auch schlafen. Wie dieser Schlafzustand physiologisch funktioniert, ist allerdings noch nicht ausreichend untersucht. Bei gutem Wetter beteiligen sich abends alle Vögel einer Kolonie unter lautem Gekreische an gemeinsamen Höchstgeschwindigkeitsflügen (screaming parties), die um die Häuser, die Nistplätze und in die Höhe führen. Dieses auffällige Verhalten dient wohl dem sozialen Zusammenhalt von Jung- und Altvögeln.

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 26.VII.2018