23. Aug. 2018
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Die Heuschrecke: Musiker und Weitspringer
Ruth Gestrich-Schmitz
Jetzt hüpfen und zirpen sie wieder: Von Juli bis September, wenn es warm und trocken ist, sind die Heuschrecken besonders aktiv. Wenn die Männchen auf Brautschau gehen, beginnen sie mit ihrem Konzert, das je nach Art der Heuschrecke richtig melodiös, aber auch wie eine rostige Rassel klingen kann. Diese Geräusche, mit denen Männchen die Weibchen anlocken wollen, kann man nicht als Gesang bezeichnen, denn sie werden entweder - bei den Langfühlerschrecken - durch das Aneinander-Reiben der Flügel oder - bei den Kurzfühlerschrecken durch das Reiben der Beine am Flügel erzeugt. Je nach Art des Körperbaus kommen dabei ganz eigene Klänge und Rhythmen zustande, an denen man die etwa achtzig heimischen Heuschrecken-Arten unterscheiden kann. Manche Heuschrecken zirpen allerdings in Frequenzen, die das menschliche Ohr nicht wahrnehmen kann. Forscher an der Universität Bielefeld haben entdeckt, dass Heuschrecken, die in ruhiger Umgebung leben, anders zirpen als ihre Genossen in verkehrsreichen Gebieten: „Nachtigall-Grashüpfer erzeugen einen Gesang, der sowohl mittlere als auch hohe Frequenzen umfasst. Wir haben herausgefunden, dass Heuschrecken aus lärmbelasteten Lebensräumen die mittleren Frequenzen ihres Gesangs nach oben verschieben was sinnvoll ist, weil eine vielbefahrene Straße ihre Signale in diesem Frequenzbereich ansonsten leichter überdecken kann“, sagt Ulrike Lampe.
Die meisten Heuschrecken halten sich gerne in hohem Gras, in Büschen oder Geäst auf, manche sind auch im Wüstensand, auf Kiesbänken, im Gebirge, sogar in Höhlen oder in Gewässern anzutreffen. Ihren Namen verdanken sie aber nicht ihrer Schreckhaftigkeit, wenn sie entdeckt werden und weghüpfen. Schrecke geht auf das althochdeutsche Wort „scricken“ zurück, was so viel wie „aufspringen, hüpfen“ bedeutet. Und das können viele Heuschrecken besonders gut. Aus dem Stand heraus können sie durch die ruckartige Streckung der Hinterbeingelenke eine Sprungweite erreichen, die ein Vielfaches ihrer Körperlänge ausmacht, bei Feldheuschrecken bis zu einem Meter.
Die Heuschrecken gehören zu den hemimetabolen Insekten, d.h. sie entwickeln sich ohne Puppenstadium zum erwachsenen Tier (Imago): Aus dem Ei schlüpft eine Larve, die sich dann über mehrere Häutungen in eine ausgewachsene Schrecke verwandelt. Dementsprechend sehen die Larvenstadien der Imago bereits sehr ähnlich, nur die Flügel sind noch nicht ausgebildet.
Die Ordnung der Heuschrecken (Orthoptera) ist in zwei Unterordnungen aufgeteilt: Die Langfühlerschrecken (Ensifera), zu denen die Grillen und die Laubheuschrecken wie etwa das Heupferd gehören, und die Kurzfühlerschrecken (Caelifera), zu denen die Feldheuschrecken mit zahlreichen Grashüpfer-Arten zählen. Weltweit sind etwa 26.000 Heuschrecken-Arten bekannt.
Heuschrecken bevorzugen je nach Art rein pflanzliche, rein tierische oder gemischte Kost: Gräser, krautige Pflanzen, Algen, Moose, Flechten, Insektenlarven, Raupen oder Blattläuse. So frisst die Punktierte Zartschrecke (Leptophyes punctatissima), auf dem Foto rechts mit ihrem grünen Körper gut getarnt auf den Blättern meiner Terrassenpflanzen sitzend, vor allem Rosen-, Brombeer- und Himbeerblätter sowie Klee und Löwenzahn. Heuschrecken selbst sind für viele Vogelarten eine wichtige Nahrungsquelle. Beim Storch, Neuntöter und Wiedehopf stehen sie weit oben auf der Speisekarte. Igel, Spitzmäuse und Spinnen gehören ebenfalls zu ihren Fressfeinden. Und auch die Menschen verschmähen Heuschrecken nicht. Sie werden traditionell in Teilen Asiens, Afrikas und Südamerikas als eiweißreiche Nahrung in gebratener Form gegessen. Laut UN sind Insekten klimafreundlich und gesund, sie enthalten ungesättigte Fettsäuren, Eisen, Mineralien und Vitamine. Heuschrecken sind einfach zu züchten und gelten als Eiweißquelle der Zukunft.
Auch wenn die Klimaerwärmung dazu beiträgt, dass immer mehr Heuschrecken-Arten den Weg aus dem Mittelmeerraum nach Norden finden, sind laut NABU mehr als die Hälfte unserer heimischen Heuschrecken im Bestand gefährdet. Der massive Einsatz von Pestiziden und die Zerstörung ihrer natürlichen Lebensräume tragen vor allem dazu bei.
Punktierte Zartschrecke (Leptophyes punctatissima)
zuletzt bearbeitet am 23.VIII.2018