11. Okt. 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Wo Haselmaus und Springfrosch leben

Astrid von Reis

Stadt, Land, Fluss, See, Wiese, Wald und viele mehr – sie alle sind Lebensräume oder Biotope. Und je nachdem, wie abiotische und biotische Faktoren wie Boden, Wasser, Klima, Exposition, konkurrierende Pflanzenarten, menschliche Nutzung oder historische Entwicklung zusammenwirken, entstehen Pflanzengesellschaften mit einer ganz bestimmten Zusammensetzung und mithin Lebensräume, in denen sich Tiere mit individuellen Bedürfnissen ansiedeln.

 

Spezielle Pflanzengesellschaften

Mit Hilfe von pflanzensoziologischen Arbeitsmethoden wie der Vegetationsaufnahme und dem Vergleich miteinander werden die spezifische Pflanzengesellschaft und der Lebensraumtyp ermittelt. Entstanden ist ein System von Pflanzengesellschaften, das heute in Vegetationsklassen, -ordnungen und -verbände gegliedert ist.

In der Ordnung der Schattlaubwälder (Fagetalia sylvaticae) innerhalb der Klasse der sommergrünen Laubwälder (Querco-Fagetea) findet sich nun – neben anderen Verbänden – der Verband der Eichen-Hainbuchenwälder (Carpinion betuli). Charakterarten dieses Verbandes, das bedeutet die Baumarten, die hier ihren ökologischen Schwerpunkt haben, sind die schattenverträgliche Hainbuche und die Vogelkirsche. Dominante Baumarten, die hier hohe Deckungswerte erreichen, sind die Hainbuche, die Stiel- und die Traubeneiche und der Feldahorn. Je nach Charakterart in der Krautschicht und abhängig vom jeweiligen Nährstoffangebot wird weiter unterschieden in den Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald oder den Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald.

Alle Eichen-Hainbuchen-Wälder haben eine hohe ökologische Wertigkeit. Durch menschliche Nutzung sind sie stark zurückgedrängt worden. Daher sind sie in der Europäischen Union ein über die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) geschützter Lebensraumtyp mit dem Natura 2000-Code 9160.

Ein Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald mit einer mikroklimatisch bedingten Massenentfaltung von Maiglöckchen kommt auf den staufeuchten Böden aus geringmächtigem Lößlehm in der Niederrheinischen Bucht vor. Der entsprechend dem Großklima im Rheinland vorherrschende Waldbaum, die Rotbuche, tritt hier aufgrund der staufeuchten, schlecht durchlüfteten Böden zurück. Als botanische Spezialität finden sich vereinzelt Winterlinden

Nur noch sechs Prozent übrig

Durch menschliche Tätigkeiten (Ackerbau, Abgrabung von Braunkohle und Kies) sind nur noch etwa sechs Prozent dieses vormals größten Waldes übrig geblieben: Reste des Bürgewaldes südöstlich des Tagebaugebietes Hambach, heute bekannt als Hambacher Forst. Seit der letzten Eiszeit ist die Gegend bewaldet, also mit etwa 12 000 Jahren einer der ältesten Wälder mit unberührter Bodenstruktur in Mitteleuropa und der älteste im Rheinland. Jahrhundertelang wurde der Bürgewald (im 10. Jahrhundert unter Otto II bereits urkundlich erwähnt) als Weidewald und zur Niederwaldwirtschaft von bis zu 49 angrenzenden Ortschaften genutzt. Die gute Stockausschlagfähigkeit der Hainbuche und der Eiche begünstigten vermutlich auch diese Baumarten. Der Wald erlebte Zeiten der Übernutzung. Dank einer im 18. Jahrhundert eingeführten nachhaltigen Forstwirtschaft konnte das Naturerbe jedoch für uns erhalten werden – bis zum Beginn des Abbaus von Braunkohle mit irreversiblen Schäden. Wer die ökologische Bedeutung von alten Eichen mit großem Wohn- und Nahrungsangebot kennt, der weiß die hier bis zu 350 Jahre alten beeindruckenden Exemplare zu schätzen.

Blick in den verbliebenen Bürgewald mit Hainbuchen (Im Vordergrund) und Eichen.

Musterstück an Biodiversität

In dem Wald leben unzählige Insektenarten wie die unter Schutz stehende Rote Waldameise, Vogelarten, Fledermäuse (12 Arten) und Säugetiere. Es wurden insgesamt 142 geschützte Arten kartiert, ein Musterstück an Biodiversität. Besonders bedeutsam, da streng geschützt sowohl nach Bundes- als auch nach EG-Richtlinien und vom Aussterben bedroht (vergleichbar mit dem Status des Hamsters), sind die Bechsteinfledermaus, der Mittelspecht, der Springfrosch und die Haselmaus. Ein unwiederbringlicher, artenreicher Lebensraum, der alle Kriterien eines FFH-Gebietes erfüllt.

 

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zuletzt bearbeitet am 19.X..2018