27. Sept. 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Was hat der Hund mit der Kamille zu tun? – Von Heil- und Nutzpflanzen und ihrer Namensverwandtschaft

Angelika Greif

Bei Heil- und Nutzpflanzen verhält es sich mit der (Namens-)Verwandtschaft beinahe wie bei uns – manchmal sieht man sich zum Verwechseln ähnlich, aber die inneren Werte müssen längst nicht dieselben sein… Ein solches „Verwandtschaftspaar“ ist die Echte Kamille (Matricaria chamomilla) und die Acker-Hundskamille (Anthemis arvensis) (evtl. Bilder einfügen). Um die Heilpflanze von ihrem Verwechsler zu unterscheiden, genügt allerdings lediglich schon die feine Nase des Bestimmers. Sowohl die Blüte der echten Kamille als auch alle ihre Pflanzenteile verströmen, zwischen den Fingern zerrieben, den starken Duft, der uns so intensiv an die Dampfbäder der erkältungsreichen Tage erinnert und der Garant für die heilsame Wirkung der Pflanze ist. Wer also wie die Hundskamille nicht oder kaum duftet, heilt auch nicht. Weiterhin zeigt der genauere Blick auf beide Pflanzen, dass die Blüten der Echten Kamille mit bis zu 2,5 cm im Durchmesser kleiner sind als die der Hundskamille, die eine Größe von 4 cm erreichen können. Wer die gelben Blütenköpfchen beider Pflanzen vorsichtig mit dem Fingernagel halbiert, erkennt noch einen Unterschied – nur der Blütenboden der Echten Kamille ist rundlich aufgewölbt und innen hohl.

Im zweiten Fall sind Ähnlichkeiten allerdings rein zufällig – die nun zu beschreibenden Nussfrüchte, die uns jetzt als Handschmeichler beim herbstlichen Spaziergang und bald wohl duftend auf dem Weihnachtsmarkt begegnen, sind nicht einmal miteinander verwandt. Die Echte Kastanie (Castanea sativa), auch Marone oder Edelkastanie genannt, gehört zur Familie der Buchengewächse (Fagaceae) und der Gattung der Kastanien (Castanea). Sie ist als einzige Kastanienart in Europa heimisch und erhält in diesem Jahr als Baum des Jahres 2018 eine besondere Ehrung.

Geadelt haben die Echte Kastanie ihre inneren Werte: Die sättigenden Nussfrüchte sind reich an Mineral- und Nährstoffen und enthalten viel Eisen, Phosphat und Kalium, Vitamin B, C und E sowie Betakarotine. Dieses Geschenk der Natur spielte lange Zeit eine bedeutende Rolle als „Brot der Armen“: Vom Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war die Edelkastanie in ihrem südeuropäischen Verbreitungsgebiet das Hauptnahrungsmittel der Landbevölkerung.

Die Gewöhnliche Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) dagegen ist ursprünglich in Nordamerika und Eurasien zu Hause. Sie gehört zur Familie der Seifenbaumgewächse (Sapindales) und der Gattung der Rosskastanien (Sapindaceae). Nach Mitteleuropa gelangte sie erst mit den Osmanen, die ihre Nussfrüchte als Pferdefutter und Heilmittel gegen Pferdehusten mitführten. Heute liebt das heimische Wild Rosskastanien als stärkereiches Winterfutter, während die Früchte für den Menschen im rohen Zustand ungenießbar sind. Schwer zu unterscheiden sind die Nussfrüchte nicht - die der Rosskastanie befinden sich meist einzeln in der Fruchtschale, sind rund, glatt, glänzend und haben einen weißen Nabelfleck (Chalaza). Der Fruchtbecher der Marone enthält ein bis drei Früchte, die Spitze ihrer Nüsse ist behaart.

Zurück zur Eingangsfrage: Was hat der Hund mit der Kamille zu tun und das Ross mit der Kastanie? Bei Trivialnamen ging es vor allen Dingen um die regionale oder historische Bedeutung der Pflanzen – und diese haben viele Quellen. Wurde zum Beispiel der Löwenzahn (Taraxacum officinale) früher zum Einfärben der Butter verwendet, war er im Volksmund eindeutig als „Butterblume“ zu identifizieren. Wurde andernorts mehr Wert auf die harntreibenden Eigenschaften der Pflanze gelegt, kannte man sie dort als „Pissblume“.

Auch bei der Vergabe von tierischen Trivialnamen stand so immer die menschliche Sichtweise auf die Pflanze im Mittelpunkt, indem der Name vermeintliche Verwandte oder Verwechsler von der echten Heil- oder Nutzpflanze abgrenzt und den Betrachter zu genauem Hinschauen mahnt. Doch das ist nur eine Variante eines großen Themas. „Frauenschuh“, „Ehrenpreis“ und „Tausendschön“ zeigen, dass Pflanzennamen aus allen menschlichen Erfahrungsbereichen, von „Ästhetik“ bis „Religion“, Anleihen nehmen. Doch das ist ein anderes Kapitel …

 

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zuletzt bearbeitet am 19.X..2018