28. Febr. 2019
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Der Biber ist auf dem Vormarsch
Karl Josef Strank
Vor einigen Wochen haben wir am Regenrückhaltebecken im Rabental in unmittelbarer Nähe zu unseren Obstwiesen an mehreren Bäumen deutliche Fraßspuren entdeckt. Es gibt keinen Zweifel: Hier ist ein Biber am Werk. Kleinere armdicke Bäume hat er bereits mehrere gefällt, diese in handliche Stücke zernagt und die Rinde abgeschält. Inzwischen liegt auch der erste größere Baum mit seiner Krone im Teich. Tagsüber bekommt man ihn kaum zu sehen. Einige haben mal einen kurzen Blick erhascht, fotografieren konnten wir ihn allerdings noch nicht. Seine Arbeiten erledigt er vor allem nachts.
Der Biber ist groß und massig, vorne schmal und hinten breiter. Die Hinterfüße haben Schwimmhäute, die kleineren Vorderfüße sind ideale Greifwerkzeuge. Das Fell besteht aus kräftigen Grannenhaaren und dichten, gekräuselten Wollhaaren. An Land wirkt er unbeholfen, ermüdet schnell beim Laufen; im Wasser ist er ein ausgezeichneter Schwimmer und Taucher. Messungen haben ergeben, dass er zehn bis fünfzehn Minuten lang unter Wasser bleiben kann.
Weitere markante Merkmale sind die breiten vorderen Nagezähne, die immer nachwachsen, sich selbst schärfen und wie die Messer eines Häckslers funktionieren, sowie der breite, platte und schuppige Schwanz, die „Kelle“, der als Ruder dient. Mittelalterliche Folianten bilden ihn noch als Fischfresser ab, aber er ernährt sich rein vegetarisch. Im Sommer von saftigen Uferstauden, Schilf, jungen Trieben von Weichhölzern, Wurzelstöcken von Seerosen, Wiesenkräutern. Im Winter frisst er die frische Rinde selbstgefällter Bäume.
„Meister Bockert“, wie der europäische Biber (Castor fiber) in der Weidmannssprache und in der Fabel heißt, ist ein geschickter Damm- und Burgenbauer. Entlang von großen Flüssen reicht ihm eine einfache Uferhöhle, die er allerdings mit mindestens zwei, oft mehr Eingängen, die immer unter Wasser liegen, ausstattet. Im Zentrum seines Baus legt er einen Kessel an. Dieser ist etwa 1,20 Meter breit, vierzig bis fünfzig Zentimeter hoch und liegt immer über dem Wasserspiegel. Steigt dieser, muss der Kessel nach oben verlegt werden. Wird die Decke einer Erdhöhle dabei zu dünn, häuft er von außen Zweige und anderes Pflanzenmaterial darüber. Auf diese Weise kann sich die Behausung allmählich zu einer richtigen „Biberburg“ auswachsen. Alte, über mehrere Generationen bewohnte und gewachsene Burgen weisen mehrere Stockwerke aus. Wichtig ist, dass der aktuelle Wohnraum immer zwei Hand breit über dem Wasserspiegel liegt. Mit dem Bau von Knüppeldämmen reguliert er selbst den Wasserpegel. In gebirgigen Lagen zähmt er so wilde Bäche, hält Sedimente zurück und verhindert damit das Versanden und Verkiesen weiter untenliegender Wiesen und Äcker. Auch wird der Abfluss des Wassers verlangsamt und reguliert.
Das sogenannte Bibergeil
Früher wurde er bis zur Ausrottung der letzte Biber in Nordrhein-Westfalen starb 1877 gejagt. Das hatte vor allem drei Gründe: In zwei Drüsen am Hinterkörper produzieren Biber einen Duftstoff, das sogenannte Bibergeil. Es galt im Mittelalter als vielgepriesene Wundermedizin, die alle möglichen Krankheiten vom Kopfweh bis zur Wassersucht heilen sollte. Der geschuppte Schwanz des Bibers galt als Delikatesse. Wegen seiner Ähnlichkeit mit Fischen wurde der Biber ganz zum Fisch erklärt, somit sein Fleisch an Fastentagen gegessen werden durfte. Folglich hat wohl sehr oft der strengherbe Geruch eines Biberbratens die Tafeln von Klöstern und Schlössern umweht.
Schließlich der kostbare Pelz. Adlige und reiche Kaufleute ließen ihn vor allem für Mützen und Kragen verarbeiten. Zur Blütezeit der Hanse gehörten Biberfelle zu den wichtigsten Handelsgütern. Nach weitgehender Ausrottung des europäischen Bibers exportierte noch 1875 die Hudson Bay Company in der Spitze 270.903 Felle des kanadischen Bibers.
Heute ist der Biber bei uns artgeschützt. Nach Auswilderungen in den 80er Jahren verbreitet er sich zunehmend. Jetzt ist er nach dem Wildbach in Seffent auch am Dorbach im Rabental angekommen. Dieser fällt im Sommer oft lange trocken. Wir sind deshalb sehr gespannt, ob sich Meister Bockert hier auf Dauer ansiedelt.
zuletzt bearbeitet am 17.V.2019