4. Juli 2019

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Vermaisung der Landschaft

 Joachim Schmitz

 

Ist Ihnen beim letzten Spaziergang durch eine Feldflur auch aufgefallen, dass es immer weniger klassische Äcker aber immer mehr Maisfelder gibt? In den jüngsten Jahren war das noch viel stärker in Bayern zu beobachten, so dass hier der Begriff der Vermaisung der Landschaft entstanden ist.

Mais ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Wie bei anderen uralten Nutzpflanzen ist die Wildform unbekannt. Jedenfalls stammt der Mais aus Mexiko, wo es bis heute unzählige Sorten gibt. Die meisten davon haben nur Mehl im Korn, weshalb sie auch nur zur Zubereitung von Fladenbroten oder als Gemüse benutzt werden. Archaische Sorten sind oft auch viel bitterer als der in Nordamerika und Europa heute übliche Zuckermais. Bei Letzterem ist der Traubenzucker, der ursprünglich aus der Fotosynthese stammt, nicht vollständig als Stärke abgespeichert, so dass die Körner eben noch süß sind.

Als Kind des mittelamerikanischen Klimas hat der Mais in Mitteleuropa lange ein Schattendasein gefristet. Der Mais ist unmittelbar nach der (Wieder-)Entdeckung Amerikas durch Columbus auch in Europa angebaut worden. 1525 ist erstmals feldmäßiger Anbau in Andalusien belegt. Schnell verbreitete sich die Kultur über Südeuropa bis nach Kleinasien. Auf diesem Umweg gelangte der Mais über Ungarn nach Österreich, weshalb er auch „Türkisch Korn“ genannt wurde. Offensichtlich war die wirkliche Herkunft in Vergessenheit geraten.

Früher war hier eine so schöne Aussicht... - Normalerweise sieht man hier vom Aachener Schneeberg aus das holländische Heuvelland mit dem markanten Kirtchtum von St. Martinus in Vijlen.

Heute ist der Anbau weltweit verbreitet; allerdings wird der allermeiste Mais gar nicht für den menschlichen Verzehr verwendet sondern für die Silage. Dafür muss der Mais nicht einmal reif werden. Hier wird nicht nur der Kolben sondern die ganze Pflanze in Silotürmen vergärt. Unter Luftabschluss zerlegen Bakterien die Pflanzenmasse so, dass sie direkt für die Viehfütterung verwendet werden kann, viel schneller, als wenn man klassisch Heu machen würde.

Die dabei entstehenden Faulgase, vor allem Methan, sind brennbar und können zur Stromerzeugung genutzt werden. Schon seit einigen Jahren hat diese Verwertung des Silomais immer mehr an Bedeutung gewonnen. Weil hier kein fossiles Erdgas sondern aus frischen Pflanzen gewonnenes Gas benutzt wird, nennt man das auch Biogas. Statt Gas zu verbrennen, für dessen Erzeugung die Natur Millionen von Jahren gebraucht hat, ist das sicher nachhaltiger. In anderen Aspekten ist die Biogaserzeugung aber alles andere als „bio“. Es ist eine Form der Intensivlandwirtschaft mit hohem Einsatz von Dünger, Spritz- und Beizmitteln.

Am 1. April 2000 trat in Deutschland das „Erneuerbare Energien Gesetz“ (EEG) in Kraft. Damit wurde u.a. der Anbau von Mais zur Verwertung in Biogasanlagen subventioniert. Danach wurden immer mehr Äcker, aber auch Wiesen und Weiden, in Maisfelder umgewandelt. 2008 wurde das Gesetz novelliert. Dabei wurden die Subventionen erhöht und auch noch ein Güllebonus ausgesprochen. Auf den Feldern darf also mehr Gülle als sonst üblich ausgebracht werden. Das führte zu einer rasanten Ausbreitung der Maiskultur, besonders in Bayern, aber auch in Nordrhein-Westfalen. Aufgrund einer Kleinen Anfrage der Grünen-Fraktion im Jahr 2015 teilte die Bundesregierung mit, dass bundesweit 2006 auf einer Fläche von 450.000ha Pflanzen zur Stromerzeugung angebaut wurden, 2014 waren es 1,4 Millionen ha. Dabei stieg die Anbaufläche von 4% auf 12% der gesamten deutschen Ackerfläche. Davon waren 72% Maiskulturen. Der Rest waren Raps, Mariendisteln u. a.

Bis 2018 haben so die Flächen mit Anbau von Silomais immer weiter zugenommen. Dann kam der berüchtigte Trockensommer und es gab erhebliche Ernteausfälle beim Mais. Mais braucht zumindest in der Wachstumsphase im Sommer genügend Wasser. In Mexiko ist es nicht nur warm und sonnig; in der Höhenlage (Mexico City liegt auf 2300m über dem Meer) ist es auch relativ feucht. Unsere klassischen Getreide stammen alle aus dem Mittleren Osten (heute Syrien, Iran, Irak). Auch wenn an ihnen schon 10.000 Jahre herum gezüchtet wurde, vertragen sie deshalb trockenheiße Sommer immer noch besser.

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zuletzt bearbeitet am 10.VIII.2019