27. Juni 2019

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Eine Pflanze, die für Diskussionen sorgt

 Karl Josef Strank

 

Auf den grünen Lampen von Ampeln als Aufkleber oder als Graffiti: Das fünf bis siebenteilige Blatt mit lanzettlichen, scharf gesägten Fiederblättchen ist bestimmt vielen schon einmal aufgefallen. Als markantes Erkennungszeichen ist es fast so bekannt wie das Peace-Zeichen und steht für die Hanfpflanze, Cannabis sativa. Die Kultur des Hanfs reicht weit zurück. In die Schlagzeilen rückt die Pflanze heute immer dann, wenn Meldungen durch die Presse gehen, dass die Polizei wieder einmal eine illegale Hanfplantage entdeckt und aufgelöst hat.

Hanf begleitet die Menschen aber seit Urzeiten, denn er ist eine vielseitig verwendbare, auch medizinisch wirksame Pflanze. Erst kürzlich ist in Deutschland der kontrollierte Anbau für medizinische Zwecke erlaubt worden. Vor kurzem berichtete auch der „Spiegel“, dass in China 2500 Jahre alte hölzerne Rauchgefäße entdeckt wurden, die belegen, dass Cannabis konsumiert wurde. Die Funde stammen aus einem Gräberfeld, und die Archäologen vermuten, dass Cannabis bei rituellen Handlungen geraucht wurde, um mit den Toten und den göttlichen Mächten in Kontakt zu treten

Heute wird Cannabis als Droge, die Genuss und Rausch verspricht, in der Freizeit oftmals intensiv und ohne rituellen Hintergrund konsumiert. Ärzte warnen vor der Gefahr der Abhängigkeit und möglicher psychischer Langzeitfolgen. Dennoch gilt das „Kiffen von Gras oder Haschisch“ vielen als harmlos, und nach Schätzungen der Vereinten Nationen greifen 125 bis 227 Millionen Menschen darauf zu.

Der Wirkstoff ist Tetrahydrocannabinol, kurz THC, der besonders in den Blüten angereichert ist. Die medizinische Anwendung von Cannabis basiert auf einer schier endlosen Liste von Beschwerden und Krankheiten: chronische Schmerzen, Multiple Sklerose, Tourette-Syndrom, depressive Störungen, ADHS, Angststörung, Appetitlosigkeit und Abmagerung, Asthma, Autismus, Blasenkrämpfe, Borderline-Störung, Chronisches Müdigkeitssyndrom, Schmerzsyndrom nach Polytrauma, Chronisches Wirbelsäulensyndrom, Kopfschmerzen, Migräne, Morbus Bechterew, Morbus Crohn, Neurodermitis, Posttraumatische Belastungsstörung, Schuppenflechte, Reizdarm, Rheuma, Schlafstörungen, Tinnitus, Folgen von Schädel-Hirn-Trauma, Zwangsstörung.

Auch wenn diese Auflistung es suggeriert, Cannabis ist kein Wundermittel und hilft nicht allen Patienten. Vorsicht ist geboten bei Psychosen oder coronaren Vorerkrankungen. Die Anwendung von Cannabis sollte generell ärztlich begleitet und gezielt durchgeführt werden. Selbstmedikation birgt Risiken. Das jahrzehntelange strikte Verbot hat aber auch Forschungen unterbunden. Diese fehlen, und so haben Patienten oft durch eigene Experimente festgestellt, dass Cannabis ihnen hilft.

Hanf ist aber nicht nur eine Drogenpflanze. Sie ist ebenfalls ein Lieferant hervorragender Fasern. Faserhanf kann auf dem Feld angebaut werden, ist schnellwüchsig, anspruchslos, widerstandsfähig und resistent gegen Schädlinge. Innerhalb von wenigen Monaten kann die Pflanze eine Höhe von vier Metern erreichen. Die Stängel bestehen aus Bast und Holz. Nach der Ernte werden diese in Wasserbecken gelegt und wie beim Flachs „geröstet“, damit sich die Bestandteile voneinander trennen. Der Bast liefert dabei die wertvollen Fasern.

Letztere werden verwendet für die Herstellung von Dämmstoffen und als Leichtzuschlagsstoffe. Die Fasern können ebenfalls als Dämmstoffe, für PKW-Formteile, als Bewehrungsfasern für Kunststoffe, Gips- und Zementwerkstoffe, für technische Textilien, Geotextilien, Bekleidung und Papier verwendet werden.

Ohne Hanf wäre Amerika nie entdeckt worden, denn die Segelschiffe waren umfänglich für Segel, Takelage, Kalfaterwerg (Dichtungsmasse), Banner, Flaggen, Seekarten, Logbücher und vieles mehr damit ausgerüstet. Vor der Entwicklung der Kunstfasern wurden Leitungen mit Hanf abgedichtet und Bergsteiger verwendeten Hanfseile, um sich abzusichern.

Im Zuge der Autarkiebestrebungen während des Dritten Reichs setzten die Nazis zeitweise auf Hanf. Für eine diversifizierte Landwirtschaft könnte er auch heute wieder eine bedeutende Rolle spielen.

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zuletzt bearbeitet am 10.VIII.2019