18. Juli 2019

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Flussperlmuschel in Gefahr

 Ruth Gestrich-Schmitz

 

Der Perlenbach im Monschauer Land ist ein beliebtes Ziel für Wanderer, besonders im Frühling, wenn die wilden Narzissen blühen. Namensgebend für den Bach ist die Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera), die heute europaweit vom Aussterben bedroht und dementsprechend streng geschützt ist. Im Perlenbach existiert die letzte Population in NRW. Im 17. Jh. sah der Bestand noch ganz anders aus. Muschelbänke im Perlenbach und in der Rur mit mehr als tausend Tieren pro Quadratmeter luden zur Muschel- und damit Perlenfischerei ein, die aber die Landesherren für sich allein beanspruchten. Sie erließen ein Gesetz, das sogenannte Perlregal, das den Untertanen die Muschelfischerei untersagte. Wer das Verbot missachtete, dem drohte sogar der Galgen. Davon zeugen heute noch ungewöhnliche Flurnamen wie Galgendamm oder Galgenberg. Mit dem Einmarsch Napoleons ins Rheinland Ende des 18. Jhs. wurde das Gesetz abgeschafft, was in Folge zu einer Jagd auf die Flussperlmuscheln führte. Besonders lukrativ kann die Ausbeute an Perlen nicht gewesen sein. Heute schätzt man, dass nur jede zweitausendste Muschel eine Perle von mittlerer Qualität enthält. Dieser Raubbau und andere Faktoren führten dazu, dass der Bestand heute massiv bedroht ist: Das Einleiten der Abwässer aus den Tuchfabriken beeinträchtigte die Wasserqualität in der Rur, die Aufforstung mit der nicht heimischen Fichte in Ufernähe führte zur Gewässerversauerung, Düngereinträge durch intensive Landwirtschaft und auch der Eintrag von Feinsedimenten nach Starkregenfällen vom nahegelegenen Truppenübungsplatz trugen zur Vernichtung des Lebensraumes bei.

Optimale Bedingungen für die Flussperlmuschel bieten sommerkühle und sauerstoffreiche Fließgewässer, die kalk- und nährstoffarm sind. Die Flussperlmuschel ist ein Indikator für sehr saubere Gewässer der Güte I bis maximal I – II. Sie kann in kälteren Klimaregionen in Nordeuropa über zweihundert Jahre, in unserer Region etwa achtzig bis hundert Jahre alt werden und dabei eine Länge von sechzehn Zentimetern erreichen. Die länglich-nierenförmige Schale ist rostbraun bis schwarz gefärbt und dickwandig. Flussperlmuscheln erreichen ihre Geschlechtsreife nach fünfzehn bis zwanzig Jahren. Zwischen April und Juni, in der Fortpflanzungszeit, lagern die Weibchen befruchtungsfähige Eier in den Marsupien (Bruttaschen an den Kiemen) ein. Dort findet die Befruchtung mit den von den Männchen ins Wasser abgegebenen Spermien, die mit dem Atemwasser eingestrudelt werden, statt. Aus den befruchteten Eiern entwickeln sich winzige, bis 0,05 Millimeter große Larven, Glochidien genannt. Im August/September von der Muttermuschel ins Wasser entlassen, sind sie darauf angewiesen, einen Wirtsfisch, Bachforelle oder Lachs, zu finden und sich dort in den Kiemen einzunisten, wo sie sich innerhalb eines knappen Jahres zu etwa 0,4 Millimeter großen Muscheln entwickeln, die dann den Wirt verlassen und sich im offenporigen Feinkies oder –schotter eingraben. Nach etwa vier Jahren wandern sie an die Oberfläche des Gewässergrunds und verankern sich dort mit ihrem Fuß, einem beweglichen, zungenförmigen Muskel. Sie leben als Filtrierer: Sauerstoff und feine organische Nahrungspartikel werden mit Hilfe der Kiemen aus dem Wasser gefiltert.

Seitdem in den 1980er Jahren die Fichten in den Bachauen gerodet wurden, Maßnahmen seitens der Biologischen Station in der Städteregion Aachen sowie des belgischen Forstamts Elsenborn zu einer Verringerung des Eintrags von Feinsedimenten führten, waren die ersten Schritte zur Verbesserung der Lebensbedingungen für die Flussperlmuschel eingeleitet. Renaturierungsprojekte halfen, den Lebensraum für die Bachforelle als lebensnotwendige Amme für die Muschellarven zu verbessern. Im Jahr 2002 begann die Biologische Station mit einer kleinen Flussperlmuschel-Restpopulation, trächtige Muscheln unter kontrollierten Bedingungen zu befruchten, ihre Larven zu gewinnen und mit Bachforellen zusammenzubringen. Die aus den Kiemen fallenden Muschelbabys werden gesammelt und die folgenden drei Monate mit Algen und Detritus (zerfallener organischer Substanz) im Labor gefüttert. Mit einer Größe von etwa einem Millimeter ziehen sie, in kleinen Käfigen geschützt, um in den Bach. So kann man die Entwicklung und das Wachstum überwachen. Im Alter von fünf bis sechs Jahren werden die Muscheln dann in die Freiheit entlassen.

Mit Hilfe regionaler, überregionaler und grenzüberschreitender Projekte wie dem Artenschutzprogramm „Schutz und Erhalt der Flussperlmuschel in NRW“, Habitat Euregio/Qualitätsimpuls für Bachläufe, LIFE-Projekt „Lebendige Bäche in der Eifel“ und dem unermüdlichen Einsatz der Projektpartner kann es gelingen, der Flussperlmuschel ein Überleben zu ermöglichen.

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 10.VIII.2019