8. Aug. 2019

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Renaturierung: Ein Programm für mehr Natur

 Karl Josef Strank

 

Der dem Naturphilosophen Jean-Jacques Rousseau zugeschriebene Ausspruch „Retour à la nature!“ war einer der Leitgedanken der Aufklärung. Nach den Zeiten des Barocks und dem Versuch, die Natur zu unterwerfen und zu beherrschen, was unter anderem in den formal gestalteten Gärten und dem Allmachtanspruch absoluter Herrscher seinen Ausdruck fand, war das ein erster Versuch der „Renaturierung“.

Die Hinwendung zur Natur hat sich in vielem ausgedrückt: dem neuen Stil des englischen Landschaftsgartens, der Entdeckung des einfachen Lebens in Wald, Feld, Flur, der Vergangenheit in romantischen Ruinen und der Bewunderung des freien Lebens der Naturvölker sowie deren Verklärung als „edle Wilde“.

Zurück zur Natur kann aber nur das, was sich vorher auch weit von ihr entfernt hat. Somit stellt sich die Frage, was ist Natur überhaupt – und was ist das Gegenteil. Ist Kultur das Gegenteil von Natur oder besteht der eigentliche Gegensatz eher zwischen wild und gezähmt?

Der Gedanke der ungezähmten Wildnis, einer ungebändigten, dynamischen Natur, spielte eine entscheidende Rolle, als 1872 in Amerika im Gebiet des Yellowstones, ausgewiesen vom US-amerikanischen Kongress, der erste Nationalpark überhaupt auf der Welt entstand. In der Folge entstanden in vielen Ländern Nationalparks, deren wichtigstes Kriterium bis heute ist, dass sich innerhalb ihrer Kernzonen die Natur frei und ohne den Einfluss des Menschen entfalten kann.

Umbauphase durchstehen

Das geht nicht immer ohne Konflikte, wenn nach Jahren der intensiven Nutzung die „Natur“ einen Wald umbaut und mit Hilfe von Borkenkäfern einen Fichtenforst „ver-“ und in den Augen einiger „entwertet“. So geschehen vor Jahren im Nationalpark Bayerischer Wald, und derzeit scheint sich das Spiel im Nationalpark Eifel zu wiederholen.

Diese Umbauphase, in der sich die Natur selbst reguliert, muss aber durchgestanden und ausgehalten werden, weil sich anschließend ein neues und besseres Gleichgewicht mit stabileren Verhältnissen und einer größeren Artenvielfalt einstellt.

Ein anderes Beispiel sind unsere Bäche und Flüsse. Der alles beherrschende Gedanke der Wirtschaftlichkeit führte zu Regulierungen nach menschlichen Vorstellungen. So wurde im 19. Jahrhundert, beginnend mit den Arbeiten des Oberwasser- und Straßenbauingenieurs Johann Gottfried Tulla, der Rhein – ein bis dahin in vielen Seitenarmen mäandrierender, ungezähmter Fluss – begradigt und schiffbar gemacht. Das Abschneiden der Seitenarme und der resultierende schnellere Abfluss vertiefte die Fahrrinne und führte zu Hochwasser.

Die Schifffahrt benötigt Staustufen, um den Pegel zu regulieren, Kanäle und Schleusen, um den Transport von Gütern zu optimieren. Begradigung und Verrohrung haben viele Wasserläufe zu leblosen Abflussrinnen verkommen lassen, deren Wasser aufgrund fehlender Kläranlagen oftmals auch stark verschmutzt war. Zum Glück hat vor Jahren ein Umdenken eingesetzt und das ehemals dreckigste Gewässer unseres Bundeslandes, die Emscher, ist durch Renaturierung inzwischen zu einem lebendigen Fluss geworden, der sein Bett wieder selbst formt.

Frei von Bebauung

Bäche und Flüsse brauchen vor allem Platz. Auen und Wiesen müssen die Wassermassen nach der Schneeschmelze und nach starken Regenfällen aufnehmen, verteilen und den schnellen Abfluss verlangsamen können. Das bedeutet, dass diese Retentionsräume frei von Versiegelung und Bebauung gehalten werden, damit sie diese Funktion wahrnehmen können.

Schon vor Jahren hat der Freundeskreis Botanischer Garten für einen Teilabschnitt des Dorbachs in Abstimmung mit dem Wasserverband Eifel-Rur eine Bachpatenschaft übernommen.

Mit Schülerinnen und Schülern einer Alsdorfer Schule sind die Holzauskleidungen und Folien aus der Sohle und den Seiten genommen worden, und ein neues Bett wurde um einen verrohrten Übergang gegraben. Seitdem kann der Dorbach wieder in die Ufer arbeiten und sein Bett stellenweise vertiefen und aufschottern.

Die neueste Entwicklung ist, dass der Wasserverband den Dorbach im Herbst auf einem weiteren Abschnitt aus dem Graben befreien und über die Rabentalwiese an Gut Melaten leiten wird.

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zuletzt bearbeitet am 10.VIII.2019