10. Okt. 2019

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Schrebergärten als Beitrag gegen den Klimawandel

 Karl Josef Strank

 

Oft finden sich innerhalb der Wohnbebauung oder auch in Randlage kleine grüne Oasen, die kleinteilig parzelliert eine bunte Vielfalt von Gärten aufweisen. Diese Kleingartenkolonien gibt es im ganzen Land, und das Kleingartenwesen kann auf eine lange Geschichte zurückblicken.

Mitte des 19. Jahrhunderts propagierten die Leipziger Ärzte Moritz Schreber und Carl Ernst Bock das Gärtnern zur körperlichen Ertüchtigung. Ein Mitstreiter, der Schuldirektor Ernst Innozenz Hauschild, betrieb mit Eltern und Kindern einen Lehrgarten und gründete dann später den ersten Schreberverein. Heute sind alle Gartenkolonien als Vereine mit eigener Satzung und Statuten organisiert. Gründlich wie wir Deutschen sind, gibt es selbstverständlich auch ein Bundeskleingartengesetz.

Echte Laubenpieper, wie Kleingartenbesitzer gerne scherzhaft genannt werden, lieben ihre Parzelle. Trotz der Grundregel von ein Drittel Nutzgarten, ein Drittel Blumen- und Freizeitgarten und ein Drittel Gartenlaube, Wegeflächen etc. bleibt genügend Raum für die individuelle Gestaltung. Oft grenzen die unterschiedlichsten Gartenideen parzellenscharf aneinander, und die Gartenkolonien gleichen einem bunten Flickenteppich.

Überaus bunt ist auch der Strauß der Funktionen, die den Kleingärten zugeschrieben werden. Familien, insbesondere Kindern, bieten sie Erholung vor der Haustür und eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Als Gegenteil von Betonhochburgen und Asphalt sind sie ein Paradies für Spiele und Kreativität. Den gärtnerischen Anbau von gesundem Gemüse, Obst und Früchten erleben Kinder hautnah vom Säen bis zur Ernte.

Kleingärten sind Erlebnis- und Erfahrungsräume in der Natur für die handgreifliche Wahrnehmung von Pflanzen und Tieren, das Erkennen von natürlichen Zusammenhängen. Sie bieten Anschauungsunterricht in Biologie, sind Oasen der Vielfalt von Obst, Gemüse, Kräutern, Sträuchern und Blumen – und sie produzieren ausreichend Nahrung für Insekten, Vögel und andere Tiere. Arten, die inzwischen in der freien Landschaft aufgrund intensiver Nutzung selten geworden sind, finden in den Kleingärten mit ihren reichhaltigen Strukturen ein Refugium. Kürzlich wurde mir zugetragen, dass in einer Aachener Kleingartenanlage Geburtshelferkröten, Ringelnattern und Glühwürmchen vorkommen. Diese Liste ließe sich noch weiter fortführen.

Nicht minder bedeutend sind die sozialen Aspekte der Kleingärten. Oft sind sie ein Ort der Begegnung der Generationen. Kinder verbringen Zeit mit den Großeltern und lernen das Gärtnern. Den gestressten Berufstätigen ist der Garten eine willkommene Entspannung und Erholung vom Arbeitsalltag. Menschen aus anderen Ländern finden im Garten den Kontakt zu Nachbarn, was die Integration erleichtert und im Idealfall zu einer Verständigung und einem friedlichen Austausch der Kulturen auf Augenhöhe führt.

Pflichten anzunehmen, etwa im Vorstand oder bei den gemeinschaftlichen Arbeiten der Gartenvereine, werden eingeübt. Naturnahes Gärtnern und den Eigenbedarf an Gemüse und Obst aus dem selbst bewirtschafteten Garten zu decken, sind eine Möglichkeit, persönliche Verantwortung für die Umwelt zu übernehmen.

Die Schrebergärten machen als Vorbild auch in Afrika und Asien Schule. Dort helfen sie die Lebensbedingungen der Armen in den Städten und insbesondere die Ernährungslage der Menschen zu verbessern. So war in der Nachkriegszeit auch bei uns die Situation. Heute steht stadtökologisch der Beitrag zur Klimaverbesserung im Fokus. Planer sollten der Versuchung widerstehen, die innerstädtischen Gartenanlagen als Dispositionsmasse für Bebauung und damit einhergehende Versiegelung zu sehen. Im Zuge des rasant voranschreitenden Klimawandels sind sie als Wasser speichernde, kühlende und Temperaturextreme ausgleichende, artenreiche Grünflächen um ein Vielfaches notwendiger und wertvoller.

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zuletzt bearbeitet am 1.I.2020