3. Okt. 2019

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Flatterulme – mehr als nur ein lustiger Name

 Ruth Gestrich-Schmitz

 

Flatterulme, ein lustiger Name für den Baum, der in diesem Jahr die Ehre hat, Baum des Jahres genannt zu werden. Den Namen verdankt sie ihren von März bis Mai in Büscheln an den Zweigen hängenden Blüten und Früchte, die auf bis zu vier Zentimeter langen Stielen sitzen und im Wind locker flattern. Das funktioniert bei ihren Verwandten, der Feld- und der Bergulme, nicht, da deren Blüten und Früchte nur kurz oder ungestielt und dementsprechend unbeweglich sind.

Ulmen sind stattliche Bäume, die dreißig bis vierzig Meter hoch und bis zu fünfhundert Jahre alt werden können. Leider ist ihr Bestand stark zurückgegangen, seit vor etwa hundert Jahren das Ulmensterben begonnen hat, dessen Verursacher ein Pilz mit Namen

Ophiostoma novo-ulmi (Ceratocystis ulmi) ist, der vom Großen und vom Kleinen Ulmensplintkäfer übertragen wird. Der Pilz lässt die Wasserleitungsbahnen verstopfen und es kommt letztendlich zum Vertrocknen der Äste. Doch die Flatterulme (Ulmus laevis) ist von dieser Krankheit nicht so sehr betroffen, denn für den Ulmensplintkäfer scheint ihre Rinde nicht so attraktiv zu sein, und zudem besitzt wohl der Baum bei einer Infektion gewisse eigene Resistenzmechanismen. Dennoch gilt die Flatterulme laut Roter Liste als gefährdet, in NRW sogar als stark gefährdet, weil ihr natürlicher feuchter Lebensraum verloren geht: Flussauen werden in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt, Feuchtgebiete trockengelegt und Flüsse begradigt.

Das Hauptverbreitungsgebiet der Flatterulme liegt in Osteuropa. In Deutschland findet man sie vor allem in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, ansonsten am ehesten im Oberrheingraben, in der Rhein-Main-Ebene und entlang der Donau, in NRW vorwiegend im Rheinland und in der Westfälischen Bucht. Alle drei heimischen Ulmen lieben feuchte Standorte, aber nur die Flatterulme bildet Brettwurzeln aus, um ihre Standfestigkeit zu erhöhen und bei Überflutung eine bessere Versorgung der Wurzeln mit Sauerstoff zu gewährleisten. Der Stammumfang kann mehr als neun Meter erreichen, wie bei der Flatterulme in Gülitz/Bandenburg, deren Alter auf über vierhundert Jahre geschätzt wird. Die Rinde ist graubraun, längsrissig und flach geschuppt. Die Bastfasern lassen sich leicht aus der Rinde lösen. Der volkstümliche Baumname Bastrüster weist auf die frühere handwerkliche Nutzung der Fasern hin. Das Holz ist zäh, schlecht spaltbar, besitzt keine attraktive Farbe und ist dementsprechend für die Holzindustrie wenig interessant. Auf Grund seiner Zähigkeit wurde es früher für den Bau von Gerätschaften mit hoher mechanischer Beanspruchung eingesetzt: Kutschen, Karren, Räder, Glockenstühle, Mühlen und auch Skier. Knollen am Stamm, die nach Absterben von Wassertrieben entstehen und zu einer dekorativen Maserung führen, machen das Holz für Möbel, Täfelungen, Pfeifenköpfe oder exklusives Schreibwerkzeug begehrt.

Ende März/Anfang April erscheinen vor dem Blattaustrieb Blüten mit filzig weißen Narben und - etwas später – rotvioletten Staubbeuteln. Sie werden meist erst ab einem Alter von 35 – 40 Jahren ausgebildet. Die Bestäubung erfolgt vor allem durch den Wind. Die Flatterulme ist nicht mit Berg- oder Feldulme kreuzbar. Die kleinen Nussfrüchte sind von einem flachen, ringförmigen und am äußeren Rand deutlich bewimperten Flügel umrahmt. Sie reifen im Mai, wenn die Blätter austreiben. Der Blattrand ist scharf doppelt gesägt, die Blätter sind an der Basis asymmetrisch geformt. Sie wurden früher als Viehfutter genutzt.

Durch die Krönung zum Baum des Jahres soll besonders auf die ökologische Bedeutung der Flatterulme hingewiesen werden: Obwohl die Flatterulme am liebsten auf feuchten Standorten wächst, kommt sie auch auf trockeneren Standorten mitten in der Stadt gut zurecht. Sie ist ziemlich tolerant in Bezug auf Luftverschmutzung, Streusalz und Bodenverdichtung. Bei der Revitalisierung von Bach- und Flussauen kann die Flatterulme eine bedeutende Rolle einnehmen. Für Lebewesen wie den Ulmen-Zipfelfalter, die auf Ulmen angewiesen sind, ist es nötig, den Bestand dieser Bäume zu erhöhen. Das neue Waldbaukonzept für NRW sieht solche Maßnahmen vor. Aber auch viele kleine Aktionen können dabei weiterhelfen: Am Tag des Baumes (25.4.2019) wurden an einigen Orten Flatterulmen gepflanzt, unter anderem drei Exemplare im Aachener Westpark.

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 1.I.2020