24. Okt. 2019

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Riesenporling - der unbekannte Pilzgigant

 Joachim Schmitz

 

Porlinge leben als Zersetzer von Totholz. Der ökologische Fachbegriff dafür ist Destruent. Damit erfüllen sie in einem intakten Wald eine wichtige Funktion. Sie helfen, totes organisches Material wie Holz oder Zellstoff chemisch zu zerlegen und damit den Pflanzen wieder verfügbar zu machen. Der Fruchtkörper der Porlinge hat keinen Stiel, sondern kommt meist mehr oder weniger halbkreisförmig direkt aus dem Holz. Auf der Unterseite ist das schwammartige Gewebe, das die Sporen erzeugt. Darauf bezieht sich der Name Porlinge. Das erinnert ein Bisschen an Röhrenpilze, ob es aber wirklich verwandtschaftliche Beziehungen gibt, ist unsicher.

Eine der spektakulärsten Arten der Porlinge, ja der ganzen heimischen Pilzwelt, ist der Riesenporling (Meripilus giganteus). Der Fruchtkörper besteht aus zahlreichen braunen Lappen, von denen jeder mehr als 20cm groß werden kann. Der ganze Fruchtkörper wird bis 50cm breit; es wurden aber auch Exemplare bis 100cm Durchmesser gefunden. Damit dürfte der Riesenporling einer der größten heimischen Pilze sein.

Der Riesenporling ist auf tote Wurzeln spezialisiert. Deshalb sitzen die Fruchtkörper an der Stammbasis oder kommen in der Nähe des Stammes aus dem Boden. Im Wurzelholz bewirkt der Pilz Weißfäule, d.h. er zersetzt Lignin. Das ist der Stoff, der Holz hart macht und ihm die braune Farbe verleiht. Zurück bleibt der weiße Zellstoff, aus dem bei Pflanzen die Zellwände bestehen. Das vermoderte Holz sieht dann (fast) weiß aus.

Während andere Destruenten den Stamm relativ zügig zerlegen, kann sich der Riesenporling in Wurzelresten im Boden noch lange halten. Das Foto oben wurde im Jahre 2007 an einem Baumstumpf auf dem Aachener Waldfriedhof gemacht. Zehn Jahre später war von einem Baumstumpf nichts mehr zu sehen und es war längst ein neuer Baum gepflanzt. Trotzdem traten immer noch Fruchtkörper des Riesenporlings aus der Erde, die in kreisförmiger Anordnung den Umfang des alten Baumstumpfs nachzeichneten. Es mussten also noch Wurzelreste im Boden sein.

Oben die ganze Baumscheibe im Jahr 2007, unten die selbe Stelle 10 Jahre später.

Befallen werden bevorzugt Laubbäume, allen voran die Rotbuche. Der Pilz gilt als Schwächeparasit. Damit ist gemeint, dass er normalerweise nur totes Wurzelholz besiedelt, aber lebende Bäume infizieren kann, wenn sie verletzt, geschwächt oder sonstwie gestresst sind. Das ist vergleichbar mit dem Verhältnis von Borkenkäfer und Fichte. In einem natürlichen Fichtenwald im angestammten Klima ist der Käfer ein Akteur im ökologischen Stoffkreislauf. In dicht gepflanzten Fichtenforsten, zumal wenn auch noch Luftimmissionen und Klimastress dazukommen, befällt der Borkenkäfer in großem Umfang auch lebende Fichten.

Was der Borkenkäfer für die Fichte ist, ist der Riesenporling für die Buche. Interessanterweise haben Buchen eine Abwehrstrategie gefunden. Die Infektion fängt meistens in tiefer liegenden Wurzeln an und arbeitet sich bis zum Stamm vor. Das gleicht der Baum durch verstärktes Dickenwachstum des Stammfußes und Ausbildung neuer Wurzeln in Bodenhöhe aus. Die neuen Wurzeln übernehmen dann die Funktion der alten befallenen. Außerdem können sie an Kontaktstellen zusammenwachsen. So entstehen dicke Stämme und großflächige Wurzelteller. Was auf den Laien wie ein starker, gesunder Baum aussieht, kann in Wirklichkeit die Folge einer Pilzinfektion sein. Dass sich diese Abwehr entwickeln konnte, deutet daraufhin, dass sich die Buchen schon in Urwäldern lange vor dem Einfluss des Menschen vor dem Riesenporling schützen mussten.

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zuletzt bearbeitet am 1.I.2020