13. Aug. 2020

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Ampelographie - Die Kunde der Rebsorten

 Joachim Schmitz

Ampelographen sind keineswegs Leute, die die Standorte von Verkehrslichtzeichenanlagen kartieren. Ampelos ist das (alt)griechische Wort für Weinstock und Ampelographen sind Leute, die sich mit der Herkunft und Identität von Rebsorten beschäftigen.

Heute gibt es weltweit Hunderte Rebsorten. Aber das war nicht immer so. Bis ins Mittelalter hat man sich kaum um Rebsorten gekümmert. Da man die Oxidation des Weins durch Kontakt mit der Luft nicht verhindern konnte, war der Geschmack vor allem durch Alkohol und Säure bestimmt. Die Unterschiede von Rebsorten herauszuschmecken, war kaum möglich. Das wurde anders, als 1487 per kaiserlichem Erlass das Schwefeln wieder erlaubt wurde. Dazu wurde Schwefel im Weinkeller verbrannt; so entsteht das giftige Schwefeldioxid, das mit Wasser zu Sulfit weiterreagiert, was die Oxidation des Weins verhindert. Die Methode war schon in der Antike bekannt. Weil die Menge an Schwefel oft maßlos übertrieben und es dadurch gefährlich wurde, war sie bis 1487 verboten.

Ab diesem Zeitpunkt werden Rebsorten erwähnt. Zunächst wurden aber keine reinen Sorten angebaut sondern im „Gemischten Satz“ fünf bis zehn Sorten im selben Weinberg. Beliebt waren u.a. Riesling, Traminer, Burgunder und der heute fast vergessene Räuschling. Der Gemischte Satz bot Ertragssicherheit. Je nach Wetterverlauf wurden Mindererträge den einen Sorten durch bessere Erträge bei anderen ausgeglichen. Bis heute erhalten hat sich der Gemischte Satz in Österreich.

Dann wurden in Mitteleuropa die Weingärten sortenrein bepflanzt. In der Folge entstanden unzählige lokale Varietäten, die selbst Fachleute kaum alle kannten. Im Jahre 1873 wurde in Wien eigens eine ampelographische Kommission gegründet, die diesen Dschungel lichten sollte. Im Ergebnis wurden „nur“ noch 355 Sorten anerkannt, alleine die 288 wichtigsten Sorten liefen bis dahin unter mehr als 1500 verschiedenen Namen. Z.B. wurden die alten Sorten Klävner, Klebroth, Möhrchen, Malterdinger und Blauer Nürnberger als Synonyme des Blauen Spätburgunders eingestuft. Manche Winzer benutzen diese Namen aber bis heute, um ihre Weinlisten etwas exklusiver aussehen zu lassen.

Auch aus anderen Gründen gibt es immer noch Verwirrung. So hat der (Weiße) Riesling keinerlei Verwandtschaft mit Welschriesling, Schwarzriesling und Blauem Riesling. Vor allem im Ausland wird der Riesling oft nach Herkunft oder berühmten Lagen benannt wie Klingelberger, Rheingauer, Johannisberger oder Hochheimer. Riesling aus Hochheim im Rheingau war der Lieblingswein von Queen Victoria. Von ihr ist der Spruch überliefert: „Good Hoch (gesprochen: Hock) keeps off the doc.“ Auf Deutsch: Guter Hochheimer hält den Doktor fern.

Vor allem alte Sorten haben traditionell in anderen Anbaugebieten unterschiedliche Namen. Der badische Gutedel heißt im französischen Jura Chasselas und im Wallis Fendant. Auch der Edelzwicker aus dem Elsass ist meistens ein Gutedel; die aus dem Mittelalter überkommenen Namen Zwicker und Edelzwicker bezeichneten ursprünglich keine Rebsorten sondern nur unterschiedliche Qualitäten.

Trollinger ist auch eine ziemlich alte Sorte, die früher viel weiter verbreitet war. Heute wird sie in Deutschland nur noch in Württemberg angebaut. In Südtirol ist sie immer noch häufig und wird dort Großvernatsch, Edelvernatsch o.ä. genannt. In Italien werden allerdings auch noch viele andere Sorten als Vernatsch bzw. italienisch Vernaccia bezeichnet, die mit dem Trollinger gar nichts zu tun haben. Das italienische Vernaccia kommt vermutlich vom lateinischen vernaculus, was einfach nur einheimisch heißt, und das kann ja viel sein. Als Beispiel sei nur der Vernaccia di San Gimignano genannt, der 1278 erstmals urkundlich erwähnt wurde, und mit Trollinger nun wirklich nichts zu tun hat.

 

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zuletzt bearbeitet am 12.IX.2020