20. Aug. 2020
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Nicht „toll“, sondern hochgiftig, die Tollkirsche
Veronika Bernhardt
Die Schwarze Tollkirsche ist eine giftige, sommergrüne Pflanzenart, die etwa 1,50 Meter hoch werden kann. Sie kommt von Skandinavien über Europa, den Balkan, Kleinasien bis nach Nordafrika und im Iran vor. In Deutschland ist sie in den meisten Bundesländern anzutreffen. Sie bevorzugt nährstoffreiche Böden, kommt häufig auf Kahlschlägen, Waldlichtungen, auf Brachflächen und an Waldrändern bis in etwa 1700 Meter Höhe vor.
Die Blüte- und Fruchtreifezeit überlappen sich bei der Tollkirsche zeitlich, so dass im Sommer gleichzeitig grüne Blütenknospen, bräunlich-violette Blüten sowie grüne, unreife Beeren als auch schwarze, reife Beeren an der Pflanze wachsen. Die Blüten der Schwarzen Tollkirsche sind Glockenblumen, die Honig und Nektar enthalten und vor allem von Hummeln und Bienen bestäubt werden.
Die Verbreitung der Samen erfolgt meist über den Verdauungsweg verschiedener Vögel (Drossel, Amsel, Spatz), die die saftigen Beeren gerne vertilgen und die darin enthaltenen Samen nach etwa zehn bis zwölf Stunden unverdaut ausscheiden.
Die Schwarze Tollkirsche (Atropa belladonna), im Volksmund auch Teufelskirsche, Wolfsbeere und Dollwurz genannt, zählt neben dem Bilsenkraut und dem Stechapfel zu den „klassischen Hexendrogen“. Ihren Namen erhielt sie wegen der Ähnlichkeit der Früchte mit Kirschen und der Giftwirkung auf den Menschen (Tobsucht). Der Gattungsname Atropa stammt aus der griechischen Mythologie und bezieht sich auf die Göttin Atropos, die eine der sogenannten Schicksalsgöttinnen ist. Sie ist diejenige, die letztlich den Lebensfaden kappt und so den Tod der Menschen bestimmt.
Der Artname belladonna wird aus dem Italienischen hergeleitet und bedeutet „schöne Frau“. Frauen haben sich den Beerensaft zur Pupillenvergrößerung ins Auge geträufelt, so dass die Augen ein dunkles, glänzendes Aussehen bekamen: strahlender Blick! (Schönheitsideal in der Renaissance). Da die Tollkirsche Erregungszustände bewirken kann, galt sie als alte Zauberpflanze mit magischen Kräften. Seit dem Mittelalter dient sie als Heilpflanze, wurde jedoch auch zu Giftmorden verwendet. Im Aberglauben und Hexenkult des Mittelalters wurden Liebestränke und Hexensalben mit Atropa als Zutat gemischt.
Heute findet die Tollkirsche medizinische Anwendung in der Augenheilkunde (Atropin). Ihre krampflösende Wirkung wird bei Epilepsie, Asthma, Bronchitis und Reizhusten und auch bei Magen- und Darmkrämpfen genutzt.
Vergiftungen mit den Beeren der Schwarzen Tollkirsche stehen in den Statistiken der Giftnotrufzentralen bei den Pflanzenvergiftungen weit oben auf der Liste.
Das kommt sicher auch daher, dass die zehn bis 15 Millimeter großen, schwarz glänzenden Früchte ausgereift sehr saftig sind, leicht süßlich schmecken und mit dunklen Kirschen verwechselt werden können. Zur Unterscheidung: Kirschen haben nur einen zentralen großen Stein, Tollkirschen mehrere kleine Samenkörner.
Die Pflanze enthält die giftigen Alkaloide Atropin, Hyoscyanin und Scopolamin. Alle Pflanzenteile sind giftig, besonders aber die in den Beeren verborgenen Samen. Die tödliche Dosis liegt bei Kindern zwischen drei und fünf, bei Erwachsenen zwischen zehn und 20 Beeren.
Die klassischen Anzeichen für eine Tollkirschenvergiftung sind Pupillenerweiterung sowie trockene, gerötete und heiße Haut. Die Trockenheit der Mundschleimhäute führt zu Sprach- und Schluckstörungen. Es liegt erhöhter Puls vor. Bei starker Vergiftung zeigen Patienten ausgeprägte Unruhe und Verwirrtheit, sie neigen zu Weinkrämpfen und Redefluss sowie zu Tobsuchtsanfällen. Schließlich tritt Bewusstlosigkeit ein und es kommt zum Tod durch Atemlähmung.
Neben einem spezifischen Gegenmittel helfen innerhalb der ersten Stunde nach dem Verzehr des Giftes Magenspülungen und/oder die Verabreichung medizinischer Kohle. Die Tollkirsche wurde zur „Giftpflanze des Jahres 2020“ gewählt als Warnung vor der giftigen Wirkung heimischer Pflanzen.
zuletzt bearbeitet am 12.IX.2020