3. Sept. 2020
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Der Rainfarn gelber Schatz am Wegesrand
Astrid von Reis
Schaut man sich die Blüten dieser von Juni bis mindestens September blühenden krautigen, ausdauernden und wintergrünen Halbrosettenpflanze an, ist verständlich, warum sie in einigen Regionen Süddeutschlands Knöpfle genannt wird.
Die einzelnen gelben, dicht stehenden Blütenkörbchen sehen aus wie kleine goldene Knöpfe. In unserer Region kennen wir die Pflanze unter ihrem Namen Rainfarn, der auf ihre Standorte an den Randstreifen ohne Nutzpflanzen von Äckern und Feldern hinweist. Dabei kommt die ausdauernde Pflanze auch in staudenreichen Wildkrautfluren, an Weg- und Straßenrändern oder Ruderalflächen vor. Allerdings nur, wenn man sie lässt. Denn 70 Prozent der potentiellen Flächen, vor allem an Acker- und Feldrandstreifen, sind in den vergangenen Jahren durch „Wirtschaften bis an den Weg“ und Herbizide verloren gegangen.
Die Pflanze liebt sonnige Standorte und richtet ihre Blätter fast senkrecht nach Süden aus ein Verhalten vieler sogenannter Kompasspflanzen. Verbreitet war sie ursprünglich in Eurasien, ist inzwischen als Neophyt in allen gemäßigten Breiten der Erde zu finden. Der Name bezieht sich aber nicht nur auf ihren Standort, sondern auch auf die dunkelgrünen, länglichen, gefiederten und damit farnähnlichen Laubblätter, die an bis zu 130 Zentimeter lang werdenden, aufrechten Stängeln wechselständig angeordnet sind.
Botanisch heißt die Pflanze Tanacetum vulgare L. und gehört zu der Familie der Korbblütler beziehungsweise Asterngewächse (Asteraceae). Typisch für den Rainfarn ist die Blütenstandsform. Bis zu hundert kleine, zwittrige Einzelblüten (Röhrenblüten) stehen in einem Blütenkörbchen zusammen. Wie bei der Strahllosen Kamille fehlen jedoch die randlichen Zungen- oder Strahlenblüten, wie beispielsweise die weißen bei der Echten Kamille oder der Margerite. Die im Durchmesser bis zu einen Zentimeter großen, einzelnen Blütenkörbchen stehen zahlreich und trugdoldenartig fast alle auf einer Höhe und bilden so eine leuchtend gelbe Fläche, die damit eine optimale Landeplattform für Insekten darstellt. Da die Röhrenblüten darüber hinaus nur etwa zwei Millimeter lang sind, sind der Nektar und auch der Pollen allen Besuchern leicht zugänglich.
Die Früchte sind Achänen, eine Sonderform der Nuss, ohne Pappus (Haarkranz oder häutiger Saum als Flugapparat) und werden durch Wind oder Tiere verbreitet. Der Rainfarn vermehrt sich auch vegetativ durch unterirdische Ausläufer.
Die ganze Pflanze duftet stark und spaltet die Gemüter bei Menschen und auch bei Tieren. Verantwortlich für den würzigen Duft sind vor allem die enthaltenen ätherischen Öle, die Terpene Thujon, Campfer und Borneol, die zum Teil sehr giftig sind.
So meidet der Kartoffelkäfer diesen Duft und flieht, weshalb Rainfarn früher auch zwischen Kartoffelpflanzen gesetzt wurde. Auch Ameisen können mit Rainfarn vertrieben werden. Wird das gebüschelte Kraut in Kleiderschränken aufgehängt, vertreibt es Kleidermotten und die Fliegen im Zimmer. Auch Parasiten, wie etwa Würmern, wurde früher mit dem Rainfarn der Garaus gemacht, weshalb die Pflanze auch Wurmkraut genannt wird. Erstmalig wird die Pflanze im Capitulare de villis von Karl dem Großen erwähnt und sollte in allen Gärten der Landgüter und Klöster angebaut werden, damit das Kraut vor allem gegen „Ungeziefer“ aller Art, auch Köpfläuse und Flöhe, immer vorrätig war.
Dem gegenüber stehen jedoch allein 73 Insektenarten Wildbienen wie die seltene Seidenbiene, Hummeln und viele Nacht- und Tagfalter wie der Kleine Feuerfalter oder das Gemeine Wiesenvögelchen. Sie alle leben an und vom Rainfarn als Nektar-, Pollen- und Futterpflanze und machen ihn damit zu einer ökologisch sehr wertvollen Pflanze. Als Futterpflanze gibt es Raupen, die nur darauf spezialisiert sind. Dazu gehören der Rainfarn-Mönch, der Smaragdspanner, die Palpenmotte und weitere Spanner und Eulenfalter. Der Rainfarn-Schildkäfer, der Rainfarn-Blattkäfer und die Rainfarn-Weichwanze sind, wie der Name besagt, auch auf den Rainfarn angewiesen die goldenen Knöpfe mit großer Bedeutung.
zuletzt bearbeitet am 24.X.2020