29. April 2021

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Hexenbesen und Teufelszwirn - Satanisches in der Biologie

 Joachim Schmitz

Zur Erklärung ungewöhnlicher Erscheinungen werden in den heutigen weltlichen Zeiten gerne obskure Verschwörungen unterstellt. Für einen Christen im Mittelalter war die Sache einfach: Das kann nur Teufelswerk sein und so wurden die Dinge dann auch benannt.

Hexenbesen sind Wachstumsstörungen an Bäumen. Dabei entstehen an einer Stelle zahlreiche Seitenzweige in dichter, wirrer Anordnung. Das kann verschiedene Ursachen haben. Z.B. bei Birken ist es der Pilz Taphrina betulina.

Hexenringe sind Ansammlungen von Pilzfruchtkörpern, die in einem exakten Kreis angeordnet sind. Der eigentliche Pilz ist ein Fadengeflecht, das von einem Zentrum in alle Richtungen wächst und am Ende Fruchtkörper produziert. Der Pilz wächst immer weiter. So können Hexenringe mit erstaunlichem Durchmesser entstehen.

Mehrfach hat man giftige Doppelgänger mit dem Teufel in Verbindung gebracht. Der Steinpilz kann (zumindest von einem Anfänger) mit dem giftigen Satansröhrling (Rubroboletus satanas) verwechselt werden. Der giftige, bei uns nur eingeschleppt auftretende Gelbe Nachtschatten (Solanum villosum) heißt in Spanien Hexentomate.

Der Teufelszwirn (Cuscuta species) hat seinen Namen von den langen, dünnen Stängeln, die mit besonderen Saugorganen andere Pflanzen anzapfen. Er ist ein Vollschmarotzer, der seinem Wirt Wasser, Zucker und Mineralien entzieht. Deshalb haben erwachsene Pflanzen keinen Kontakt zum Boden mehr, sondern bilden auf ihrem Wirt dichte Geflechte. Die Zuordnung zum Teufel beruht vermutlich auf dieser ungewöhnlichen, unheimlichen Lebensweise. Manche Arten befallen auch Kulturpflanzen und können so große Schäden anrichten.

Der Teufelsabbiss (Succisa pratensis) hat seinen Namen vom unterirdischen Wurzelstock, der am Ende alte Teile auf einen Schlag abstößt und dadurch wie abgebissen aussieht. Zu früheren Zeiten haben die Menschen darin natürlich teuflisches Zauberwerk gewittert und dem Teufelsabbiss allerlei magische Wirkungen zugeschrieben. Der getrocknete Wurzelstock wurde als Talisman gegen den Teufel um den Hals getragen und in Viehställen aufgehängt, um das Vieh gegen teuflischen Zauber zu schützen. In der Volksheilkunde wurde der Wurzelstock als „Morsus diaboli radix“ unter anderem als Wurmmittel und äußerlich bei Hauterkrankungen verwendet.

Die Teufelsklaue (Huperzia selago) ist ein Bärlappgewächs, also eine Farnartige. Die kaum 10cm große Pflanze wächst auf steinigen Hängen zunächst waagerecht aus dem Boden. Dann verzweigen sich die Triebe und richten sich dabei auf. Das sieht mit entsprechender Fantasie wie eine Hand aus, die aus dem Boden wächst. Zur Teufelsklaue wurde die Pflanze aber erst in christlicher Zeit. Bei den Kelten war es eine der heiligsten Zauberpflanzen. Sie durfte nur von Druiden in einem komplizierten Ritual gesammelt werden. Bis heute heißt die Art auf Walisisch „Gras Duw“, Gnade Gottes. Da bei Christen alles Heidnische Teufelszeug war, wurde aus dem heiligen Kraut irgendwann die Teufelsklaue.

Ausgerechnet die Pflanze, die heute noch Hexenkraut heißt (Circaea species), verdient diesen Namen gar nicht, weil es auf einem Irrtum beruht. Der in der Antike maßgebliche Dioscurides meinte damit das sagenhafte Zauberkraut Alraune (heute Mandragora officinalis), das er nach der Zauberin Kirke (Circe) aus dem Odysseus-Epos „kirkaía“ nannte. Bei der lateinischen Übersetzung im 16. Jahrhundert hat der Botaniker Mattioli diesen Namen fälschlich auf unser heimisches Hexenkraut übertragen und dabei ist es bis heute geblieben. Tatsächlich wurde die arme Pflanze nie als Heil- oder Zauberkraut verwendet und hat auch keine Inhaltsstoffe, die das begründen könnten.

Birke mit Hexenbesen

 

 

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zuletzt bearbeitet am 10.V.2021