9. Sept. 2021

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Bonsai – Baum in der Schale

 Ruth Gestrich-Schmitz

Als ich im vergangenen Jahr einen Bonsai geschenkt bekam, war ich ein wenig überrascht. Die Bonsais, die ich bis dahin gesehen hatte, waren vor allem Nadelbäume in Miniaturformat. Mein eigener ist ein Zierapfel, der im Frühling wunderschön geblüht hat und nun Früchte trägt.

Bonsais sind keine genetisch zwergwüchsigen Pflanzen. Man kann im Prinzip jede Pflanze mit einem verholzenden Stängel oder Stamm zu einem Bonsai gestalten, wenn man sie in einem Topf oder einer Schale kultiviert, wo der Platz für die Wurzeln und das Nährstoffangebot begrenzt sind. Berühmt für die Tradition seiner Bonsai-Kultur ist Japan, obwohl die Kunst, bei der Bäume und Sträucher in kleinen Gefäßen in Zwergform gezogen werden, ursprünglich wohl aus China stammt, wo man sie Penjing nennt: Dabei wird nicht nur ein Baum in eine Schale gepflanzt, sondern eine ganze Landschaft mit Bäumchen, Sträuchern, Wasser und Felsen gestaltet. Japanische Mönche sollen im 11. Jh. auf ihren Wanderungen durch China die hübsch gestalteten Penjing-Schalen entdeckt haben. Fortan entwickelte sich auch in Japan diese Kunst, speziell dahin, dass nur noch ein einzelner Baum in die Schale kam und die Baumgestaltung in den Vordergrund rückte. Als sich Japan Ende des 19. Jhs., in der Meiji-Zeit, aus der Politik der Isolierung löste, wurde die Bonsai-Kultur auch im Westen bekannt und erfreut sich heute großer Beliebtheit.

Einen Bonsai selbst aus Samen oder Stecklingen zu ziehen und ihn in die gewünschte Form zu bringen, erfordert viele Jahre und sorgfältige Pflege. Die Kunst dabei ist, regelmäßig Wurzeln, Zweige und Triebe so zu schneiden, dass der Baum als Miniaturausgabe in möglichst naturnaher Form in einem Pflanzgefäß wächst. Mit Holzleisten, Bindedraht und viel Geduld erreicht man die gewünschte Wuchsform. Einfacher ist es mit einem fertigen Bonsai zu beginnen, den man am besten in speziellen Bonsaigeschäften, vor Ort oder im Internet, kauft. So kann man erst einmal ein Gefühl für den Umgang mit dem Miniaturgewächs entwickeln. Bei der Pflege sind, abhängig von der Baumart, dem Alter, der Größe, vor allem die richtige Bewässerung und Düngung, das fachgerechte Umtopfen und die Auswahl des Standortes wichtig. Dabei helfen Fachbücher, Kurse in Baumschulen und Informationen im Internet.

Zierapfel-Bonsai

In Japan werden traditionell Kiefern wie die Mädchen-Kiefer (Pinus parviflora), Wacholder, Ahorne wie Fächer-Ahorn (Acer palmatum) und Dreispitz-Ahorn (Acer buergerianum), Ulmen, besonders die Chinesische Ulme (Ulmus parviflora), Azaleen und Obstgehölze wie die Japanische Aprikose (Prunus mume) als Bonsai gestaltet. Besonders bezaubernd wirkt ein Bonsai, der in voller Blüte steht, wie Azalee, Bougainvillea, Blauregen, Fuchsie, oder ein Bonsai, der attraktive Früchte trägt, etwa ein Schönfrucht-Bonsai mit lila Früchten.

In der Regel stehen die Bonsais im Freien. Es gibt auch Bonsais für den Innenraum, wobei der Ficus-Bonsai der pflegeleichteste ist. Weitere beliebte Indoor-Bonsais sind Jadebaum, Liguster, Fukientee, Strahlenaralie und Sageretie.

Wer als Bonsaienthusiast etwas auf sich hält, braucht einen Yamadori-Bonsai für seine Sammlung (Yamadori bedeutet sinngemäß „gesammelter Baum aus der Natur“). Das heißt, man gräbt einen Baum nach Absprache mit dem Besitzer bzw. Förster in der Natur aus und entwickelt daraus einen Bonsai. Verschiedene Bonsai-Teams bieten Yamadori-Touren an, bei denen man unter fachgerechter Anleitung Bäume sammeln kann.

Wenn ein Bonsai gut gepflegt wird, kann er sehr alt werden. Es existieren Exemplare, die ein Alter von über eintausend Jahren haben: Ein Kiefern-Bonsai im Mansei-en Bonsaigarten der Familie Kato in Omiya, Japan, und ein Ficus- Bonsai, der im italienischen Crespi Bonsai-Museum nahe Mailand zu bewundern ist.

Für Bonsaibegeisterte ist eine Reise nach Japan mit seinen beeindruckenden Gärten ein Muss. Doch auch in Deutschland kann man Bonsais in japanischen Gärten und auf Ausstellungen bewundern, z.B. im Japanischen Bonsaigarten Ferch unweit von Berlin und im Japanischen Garten im thüringischen Bad Langensalza. Im Japanischen Garten in der Rheinaue Bonn präsentiert das Bonsai-Team Bonn jedes Jahr am Pfingstwochenende etwa einhundert Bonsais und bietet eine Tauschbörse an.

 

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zuletzt bearbeitet am 4.X.2021