2. Sept. 2021
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Meister Adebar bringt das Glück - und die Kinder
Karl Josef Strank
In diesem Sommer machte ich während eines Urlaubs im Schwarzwald anlässlich eines regnerischen Tags einen Ausflug nach Donaueschingen. Kurz vor der Stadt, staunte ich nicht schlecht, als ich auf hohen Strommasten entlang einer Schnellstraße mehrere Storchennester bemerkte, die alle besetzt waren. Teilweise waren in der Mitte und auf den Traversen gleich drei Nester gebaut. Aufgrund einer aufwendigen Horstsanierung im Jahr 2017, die leider zu spät abgeschlossen wurde, ist ein Storchenpaar auf einen Strommasten beim Wolterdinger Klärwerk ausgewichen und fühlt sich seither auf der Starkstromleitung sichtlich wohl. Bis heute siedeln dort immer mehr Störche, der ursprüngliche Horst auf einem Haus in Wolterdingen bleibt leer.
Der Storch scheut die Nähe des Menschen nicht. Häufig brütet er inmitten von Dörfern und Städten. Entsprechend ist er im Volksleben verwurzelt. Meister Adebar, wie er in der Fabel genannt wird, gilt seit alters als Glücksbringer. Als Klapperstorch, der Name bezieht sich auf das ausgiebige weit hörbare Klappern mit dem Schnabel, welches Störche bei der Begrüßung auf dem Nest hören lassen, bringt er die Kinder. Holzstörche auf Dach, Balkon oder im Vorgarten verkünden das freudige Ereignis.
Der Storch ist ein stattlicher Vogel mit schwarzweißem Gefieder, rotem, langem und spitzem Schnabel, dünnen, langen und ebenfalls roten Beinen. Bei einer Gesamtlänge von 110 cm, einer Flügelspannweite von 220 cm wiegt er 2,3 bis 4,4 kg. Seine Nahrung sucht der Storch schreitend, was eine gewisse Vornehmheit ausstrahlt. Daher die Redewendung „wie ein Storch im Salat“ für den stocksteifen, schlacksigen, unbeholfen wirkenden Gang dünner, lang aufgeschossener Mitmenschen. Es ist keine zutreffende Annahme, dass der Storch vorwiegend Frösche frisst. Mäuse, Insekten, insbesondere Heuschrecken und deren Larven und in der Kulturlandschaft Regenwürmer sind eine wichtige Frühsommernahrung. Auf dem Speiseplan stehen außerdem Maulwürfe, Hamster, Reptilien und Fische, auch als Aas, wenn sie tot angespült werden.
Die Storchenmänner sind im Frühjahr als erste aus dem Süden zurück und besetzen den Horst des Vorjahres. Sie sind in dieser Hinsicht sehr ortstreu. Die Weibchen kommen später und die Paare bleiben, wenn sie den Zug und die vielen Gefährdungen überleben, auf Jahre zusammen. Die Nester werden auf Dächern, Schornsteinen, Kirchtürmen, Masten oder Bäumen jedenfalls immer in der Höhe errichtet und über die Jahre weitergebaut und ausgebessert. März/Anfang April legt das Weibchen 3-5 Eier. Nach gut einem Monat schlüpfen die Jungen. Beide Elternteile füttern und versorgen sie an sehr heißen Tagen auch mit Wasser. Diese stehen nach 22 Tagen im Nest und sind nach 55-60 Tagen flügge. Nach etwa 90 Tagen sind sie unabhängig von den Eltern. Ende August ziehen dann die ersten Jungvögel gen Süden. Zufällig konnte ich mit Anderen am 24. August an einem sonnigen Tag in Aachen-Melaten beobachten, wie eine Schar Jungvögel die Thermik für den Segelflug nutzend in weiten Kreisen fliegend sich in die Höhe tragen ließ. Allmählich drifteten sie so in Richtung Süden ab. Die Altvögel folgen dann im September. Die europäische Storchenpopulation teilt sich entlang einer Zugscheide, die vom Ijsselmeer, Osnabrück, den Südwestharz, Kyffhäuser, Regnitz, Lech bis ins Alpenvorland verläuft, in West- und Ostzieher. Erstere fliegen über Frankreich, Spanien nach Westafrika. Letztere ziehen über den Bosporus, Syrien, den Jordan und Sinai, den Golf von Suez ins Niltal nach Ost- und Südafrika.
Jungstörche sammelten sich am 24.08. in Melaten zum Abflug (Bild: Sophie Zimmermann)
Störche sind Kulturfolger, denn Menschen haben einst die offene Landschaft geschaffen und auf Häusern, Türmen etc. Nistmöglichkeiten bereitgestellt. Gefährdet sind sie durch die Intensivierung und Technisierung der Landwirtschaft, den Einsatz von Agrochemikalien und Pestiziden, der Entwässerung von Nasswiesen und Auen.
Dass Störche sich heute mit ihren Nestern auf Starkstrommasten niederlassen, ist neu und hätte kaum jemand für möglich gehalten.
zuletzt bearbeitet am 4.X.2021