18. Nov. 2021
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Mit regionalem Gemüse durch das Jahr
Astrid von Reis
Wer bei einem Spaziergang an Gemüsegärten oder -feldern vorbeigeht, kann einiges entdecken, was noch auf die Ernte wartet: Rote Beete, Sellerie, Karotten, Grün-, Palm- und Rosenkohl, Wirsing, Mangold, und mit Lauch, Pastinaken, Topinambur oder Petersilienwurzel ist die Gemüsesaison selbst an Weihnachten noch längst nicht vorbei. Gerade letztere lassen sich noch ganz nach Bedarf ausgraben, solange der Boden nicht hart gefroren ist. Wer nicht so lange warten möchte und den Platz beispielsweise für die Aussaat von Feldsalat benötigt, wird das Gros der Gemüse jetzt bald vor den ersten Bodenfrösten ernten. Vorsichtig, damit keine Fäulniserreger in eventuelle Wunden eindringen und die Ernte im Lager vernichten können. Was beschädigt ist oder das Lager überfordert, wird dann bestenfalls haltbar gemacht mit Konservierungsmethoden wie Einmachen (Marmeladen, Saft, Mus, Eingewecktes, etc.), Trocknen (Dörrgemüse und -obst), Räuchern, Vergären (Sauerkraut, saure Gurken), damit man zu allen Jahreszeiten geschmackvolle und vitaminreiche Lebensmittel zur Verfügung hat. Und durch eine ressourcensparende, nachhaltige Haltbarmachung wird der Abfallberg von Lebensmitteln, der derzeit rund zwölf Millionen Tonnen pro Jahr in Deutschland ausmacht nicht weiter „gefüttert“ und der Verschwendung gegengesteuert.
Hingegen können durch die Aufnahme von rohem oder verarbeitetem Gemüse die kettenförmigen, länglichen, ovalen, spiralförmigen, runden, kurz mannigfaltig aussehenden nützlichen Mikroorganismen wie vor allem Bakterien, Viren und auch Pilze in unserem Darm gefüttert und unterstützt werden. Diese mikrobielle Wohngemeinschaft oder kurz das Mikrobiom, ist wesentlich für einen stabilen Darm und damit für die Gesundheit. Allein jeder Mensch besitzt rund 40 Billionen Bakterien im Darm, das Mikrobiom wiegt ungefähr ein Kilogramm. Etwa 1500 verschiedene an das Darmmilieu angepasste Bakterienarten sind erforscht. Zu ihnen gehören auch die diversen Arten von Milchsäurebakterien (sie wurden als erstes in der Milch entdeckt, daher der Name), sie sind gut für das Immunsystem.
Letztgenannte sind auch wesentlich (neben weiteren Mikroorganismen) für die vermutlich älteste Konservierungsmethode von Gemüse, dem Fermentieren oder Vergären. Bei der Milchsäuregärung von Lebensmitteln bauen Milchsäurebakterien Glucose und andere Monosaccharide vornehmlich zu Milchsäure ab. Sie bewirken damit ein saures Milieu, in dem schädliche Mikroorganismen dem Lebensmittel nichts mehr anhaben können. So machen sie Gemüse aber auch Milch, Fisch, Fleisch (Teewurst, Salami) und andere Lebensmittel haltbar, genießbar oder reichhaltiger. Zudem bewirken diese sauren Lebensmittel, dass im Darm ungünstige Keime in Schach gehalten werden. In fast allen Kulturen und Weltreligionen ist das Fermentieren lange bekannt: römische oder indonesische Fischsaucen, mediterrane Oliven, koreanisches Kimchi (Hauptbestandteil ist Chinakohl), japanisches Tsukemono (diverse Gemüse), fermentierte Milchprodukte, milchsauer vergorene Pilze und Gemüse der Balkanländer, „unser“ beliebtes Sauerkraut aus Weißkohl, Sauerteig (gemeinsam mit Hefen) zum Brotbacken.
Die Methode mit Milchsäurebakterien ist einfach und es braucht nicht viel: reifes, ökologisch angebautes Gemüse (auf unbehandelten Ausgangsprodukten sind viel mehr Milchsäurebakterien als auf pestizidbehandelten und chemisch gedüngten), Salz, Wasser und optional Gewürze. Unter Sauerstoffabschluss, Milchsäurebakterien mögen keinen Sauerstoff, arbeiten diese munter vor sich hin und blubbern Kohlendioxidbläschen. Sie verbrauchen Nährstoffe, hinterlassen aber andere Nährstoffe wie Mineralien und Vitamine sowie neue Aromen, Texturen und Geschmacksnuancen.
Fermentieren ist eine der schönsten Arten, die erntereichen Zeiten ins Glas zu packen und Vorräte für die etwas mageren Monate anzulegen. In hübsche Gefäßen abgefüllt, ist das Fermentierte wie selbst gemachte Konfitüre eine gelungene, Geschenkidee, regional.
zuletzt bearbeitet am 3.XII.2021