10. Febr. 2022
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Gewächshäuser von der Blüte bis zur Reife
Richard Zimmermann
Wintergärten sind großartige Orte, um vor allem im Winter der eisigen Kälte zu entfliehen und Sonne zu tanken. Bautechnisch gut ausgelegte Wintergärten haben auch den Vorteil, dass sie durch einen optimalen Einstrahlungswinkel der Sonne Wärme erzeugen, wodurch Heizkosten gespart werden können. Ein weiterer Vorteil ist die dadurch ermöglichte Überwinterung von sensiblen Pflanzen, die durch die warmen Temperaturen auch während des Winters in gemäßigten Breitengraden wachsen können und keine Frostschäden erleiden. Genau hierauf geht die Erfindung der ersten Wintergärten oder auch Orangerien genannt zurück. Allerdings gab es schon vor der Zeit der prunkvollen Schlösser, Fürstenhöfe und Orangerien Gedanken zur Kultivierung von exotischeren Pflanzen in kälteren Gegenden.
Bereits in der römischen Antike hielt der gelehrte Lucius Columella in einem seiner zwölf Bücher fest, dass Pflanzen am besten in Gefäße auf Räder gestellt werden sollen, um diese mühelos in Häuser hinein- und herauszubefördern. Zudem wies er darauf hin, dass die Pflanzen im Winter mit Glasscheiben überdeckt werden sollen, um an kälteren Tagen geschützt zu sein. Sozusagen schuf er die ersten theoretischen Gedanken zu frühzeitlichen Gewächshäusern, die nachweislich aufgeschrieben wurden.
Erst im 16. Jahrhundert, als Orangen- und Zitrusbäume sowie weitere Pflanzen aus Gebieten wärmeren Klimas zu Fürstenhöfen in Europa importiert wurden, machten sich erneut Menschen Gedanken über Techniken, die die Pflanzen im Winter schützen könnten. Die ersten exotischen Bestände wurden zum Kälteschutz im Winter mit Holzverschlägen überbaut, um Frostschäden zu vermeiden. Im 17. Jahrhundert wurden dann Pflanzkübel als technischer Durchbruch gefeiert, wodurch exotischere Pflanzen mobil wurden und im Winter in Häuser gestellt werden konnten. Kurz darauf wurden erste Wintergärten errichtet, die anfangs an Schlössern integriert, ausschließlich Pflanzen beherbergten, welche dicht aneinandergedrängt waren. Kurze Zeit später konnte Flachglas in größerer Menge produziert werden, wodurch erste freistehende Gewächshäuser entstanden. Zur Industrialisierung, als Eisen und Glas verbunden wurde, blühten als neue Mode in botanischen Gärten exotische Gewächshäuser auf, allerdings war die Bewirtschaftung äußert teuer, da eine dauerhafte Beheizung nötig wurde und die Wärmedämmung schlecht war.
Heute sind Gewächshäuser kaum noch wegzudenken. Durch immer effizientere Baustoffe und bessere Bauweisen sowie eine optimale Haushaltung der Stoffströme kann Obst und Gemüse mit wenig Energieaufwand, kaum Wasserverbrauch und einem deutlich geringeren Einsatz von Dünger oder chemischen Pflanzenschutzmitteln umweltschonend produziert werden. Auch Folientunnel werden in der Landwirtschaft genutzt, um Gemüse vor Frost zu schützen, verdunstetes Wasser bei den Pflanzen zu halten und einem Wärmeverlust vorzubeugen. Der Trend geht zu vertikalen Anbauweisen, die platzsparend sind und deutlich effizienter als die übliche Landwirtschaft, wodurch teilweise bis zu 150-mal mehr Gemüse pro Quadratmeter produziert werden kann. Für die Aufzucht von modernen Gemüsepflanzen, die in solchen Gewächshäusern produziert werden, ist nur noch ein optimales Nährstoffsubstrat notwendig. In der konventionellen Landwirtschaft wird die Erde, das Grundwasser und auch die Tier- und Pflanzenwelt vor allem durch übermäßiges Düngen langfristig vergiftet und zerstört. Auch der Wasserverbrauch wird in modernen Gewächshäusern bis um 95 % im Vergleich zur Landwirtschaft gesenkt und chemische Mittel zur Bekämpfung werden überflüssig, da ein eigenes Biotop geschaffen ist. Die konventionelle Landwirtschaft nimmt etwa die Hälfte der Gesamtfläche von Deutschland ein, eine Änderung hin zu vertikaler Bewirtschaftung würde im Umkehrschluss viel mehr Wald und Natur bedeuten sowie geringere Transportwege und Umweltschäden. Ein Nachteil könnte die nachgesagte Geschmacklosigkeit sein. Bleibt die Frage: Verzichten wir lieber auf den Geschmack - falls dieser wirklich geringer ausfällt oder auf eine Schonung der Umwelt?
zuletzt bearbeitet am 1.III.2022