31. März 2022

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Stadttaube – Vom beliebten Begleiter zur verhassten Plage

 Sophie Zimmermann

Während sie früher als Friedenssymbol und wichtiges Kommunikationsmedium geschätzt wurden, sind Tauben heute in den Augen der meisten Menschen eine Plage. Nicht selten werden sie als „Ratten der Lüfte“ oder „Bazillenschleudern“ bezeichnet. Von den 300 verschiedenen Taubenarten sind hiermit die in den Städten lebenden Straßen-, Haus- oder Stadttauben gemeint. Sie sind unter den Vogelarten wohl die bekanntesten Kulturfolger, deren Lebensraum weitgehend von Menschen bestimmt wird.

Stadttauben sind Nachfahren der Felsentauben (Columba livia), welche in ganz Europa verbreitet sind und an Felsen oder Klippen brüten. Diese Taubenart teilt eine Jahrtausende alte Geschichte mit den Menschen. Von den Sumerern (ca. 3000 v. Chr.) wurden Felsentauben als Nahrungsmittel und Lockvögel für Greifvögel gehalten. Von den alten Ägyptern wurde Taubenkot zum Düngen verwendet und die antiken Römer bauten riesige Taubenschläge, um die Vögel als Delikatesse zu verzehren. Durch ihr ausgezeichnetes Heimfindungsvermögen wurden die Vögel später als Brieftauben eingesetzt. Auch im Ersten Weltkrieg wurden die Botentauben von allen Kriegsteilnehmern genutzt, um Nachrichten zu verschicken. Eine Taube wurde sogar mit einem Militärorden ausgezeichnet, da sie durch ihre Nachricht 194 Soldaten, die versehentlich in einem Versteck von ihren eigenen Leuten beschossen wurden, das Leben rettete. Die Taube namens „Cher ami“ (deutsch „Lieber Freund“) flog 25 km in 25 Minuten, obwohl sie während dem Flug durch Schusswunden verletzt wurde.

Die heute in den Städten lebenden Tauben stammen vermutlich von rückverwilderten Haustauben ab. In der Fachsprache werden Wildtiere, die aus einer bereits domestizierten Form hervorgehen, als Pariaform bezeichnet.

Das Aussehen der Tauben ist sehr unterschiedlich, aber durch jahrelange Selektion an den Lebensraum der Stadt angepasst. Die typische Straßentaube ist an ihrem metallischen Farbglanz am Hals zu erkennen. Ansonsten ist das Gefieder oft grau mit schwarzen Flügelbinden, während die Augen eine rotbraune Farbe aufweisen.

Heute wird die Zahl der in Städten lebenden Tauben auf 500 Millionen geschätzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg vervielfachten sich die Taubenbestände, da sie in den Ruinen der zerstörten Gebäude gute Nistmöglichkeiten fanden. Hinzu kam die sich entwickelnde Wohlstandsgesellschaft, durch die die Vögel immer reichlichere Nahrungsangebote finden konnten. Während die ursprüngliche Felsentaube auf offenen Flächen bevorzugt nach Hülsenfrüchten sucht, ernähren sich ihre Verwandten in der Stadt von Essensresten, Fütterungen und Abfällen auf Märkten, Schulhöfen oder der Nahrungsmittelindustrie. Auch weisen sie Veränderungen im Verhalten wie eine geringe Wanderbereitschaft auf. Durch das reichliche Nahrungsangebot sind die Tauben außerdem in der Lage, sich das ganze Jahr über fortzupflanzen. So können sie zwei bis achtmal jährlich je zwei Jungvögel aufziehen.

Das zu viele Tauben auf engem Raum leben, ist ein menschengemachtes Problem, das Tieren und Menschen Probleme bereitet. Die hohe Populationsdichte der Tauben führt zu Stress, Krankheiten und Verbreitung von Parasiten. Für die menschlichen Stadtbewohner sind der Taubendreck, welcher Schäden an Gebäuden verursacht und die Übertragung von Krankheiten ein Problem. Aus diesem Grund werden verschiedene Versuche zur Dezimierung der Vögel unternommen, die meistens wenig effektiv und zum Teil bedenklich sind: Unterschiedliche Methoden der Tötung, Vergiftung und andere brutale Eingriffe sind nicht nur aus Tierschutzsicht bedenklich, sondern auch nicht effektiv. Eine vernünftige und erfolgreiche Methode sind dagegen Konzepte wie betreute Taubenschläge, in denen die Bestände durch das Austauschen von echten Eiern mit Attrappen gezielt eingedämmt werden, das Reduzieren von Futterangeboten und die Verhinderung möglicher Nistplätze. Modellprojekte zeigen, dass durch diese tierschutzgerechte und umweltschonende Methode der Bestand nach wenigen Jahren auf ein Drittel reduziert werden konnte.

 

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zuletzt bearbeitet am 7.IV.2022