15. Sept. 2022

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Gottesanbeterin – ein faszinierendes Insekt

 Sophie Zimmermann

Viel wird über die Nachteile, die der Klimawandel mit sich bringt, gesprochen. Für manche Lebewesen wirken sich die steigenden Temperaturen jedoch günstig aus. Zu diesen Gewinnern des Klimawandels gehört beispielsweise die Gottesanbeterin (Mantis religiosa).

Diese ist in Mitteleuropa die am weitesten verbreitete Art der Ordnung der Fangschrecken, welche ihr Hauptverbreitungsgebiet in den Tropen und Subtropen haben. Der Körper der Gottesanbeterin ist grün, braun oder grau. Die Weibchen werden bis zu 7 cm und die Männchen bis zu 5 cm lang. Während das zweite und dritte Beinpaar dünn sind, ist das Erste zu einem stachelbewehrten Fangwerkzeug ausgebildet. Meist hängt die 2017 zum Insekt des Jahres gewählte Schrecke mit angezogenen Fangbeinen regungslos in der bodennahen Vegetation. Dieser „betenden“ Haltung verdankt das Insekt seinen Namen. Doch sobald eine mögliche Futterquelle in das Sichtfeld der „Betenden“ gelangt, ist es mit der „Andacht“ schlagartig vorbei. Die Gottesanbeterin verfolgt jede Bewegung der Beute mit ihrem extrem mobilen Kopf und schnellt mit ihren geöffneten Fangbeinen blitzschnell nach vorne, wenn es in ihre Reichweite gelangt. Dieser sogenannte Fangschlag dauert 50 bis 60 Millisekunden und ist damit in etwa sechsmal schneller als ein menschlicher Lidschlag. Zur Beute der Gottesanbeterin gehören andere Insekten, aber auch kleine Wirbeltiere wie Frösche, Eidechsen oder Mäuse. Auch Kannibalismus ist keine Seltenheit. So kommt es vor, dass das Männchen während oder nach der Paarung vom Weibchen gepackt und verspeist wird. Die Paarung oder Mantis-Hochzeit findet im Spätsommer statt. Zu dieser Zeit fliegen die Männchen auf der Suche nach einem Weibchen zum Teil lange Strecken. Die Annäherung an die Auserwählte erfolgt aus zuvor geschilderten Gründen sehr vorsichtig. In Reichweite wird das Weibchen beäugt und schließlich mit den Fühlern betasten, dann erfolgt der Sprung auf den Rücken des Weibchens. Kurze Zeit nach der Paarung, oft im Monat September, legt das Weibchen einige Hundert Eier in eine weiße Schaummasse. An der Luft wird dieser Schaummantel braun und zäh-elastisch. Die mit Eiern gefüllten Kokons werden auch Ootheken oder Ovotheken genannt. Man findet sie in der niedrigen Vegetation, an Steinen oder Mauern. Im April oder Mai schlüpfen die Larven. Da die Gottesanbeterin zu den hemimetabolen Insekten gehört gibt es kein Puppenstadium (Metamorphose). Die jungen Mantis nähern sich von Häutung zu Häutung dem Imago, also der erwachsenen und geschlechtsreifen Form, an. Die schon erwähnte Farbvarietäten von grün bis braun oder grau stimmen oftmals mit den Farben ihres Habitats überein. Während den Häutungen passt sich die Grundfarbe der Schrecke nach und nach an die Umwelt an.


Wegen des Klimawandels auch hierzulande häufig anzutreffen: Eine Gottesanbeterin.

Eine weitere interessante Eigenschaft der Mantis ist ihre der Feindabwehr dienende Droh- oder Schreckstellung. Bei dieser werden die Vorderbeine nach oben bewegt, sodass die auf der Innenseite liegenden schwarzumrandeten weißen Flecken zu sehen sind. Diese wirken wie Augen eines größeren Tiers und stellen damit eine Mimikry dar. Zusätzlich erfolgt durch das Ausbreiten der Flügel ein zischendes Geräusch, welches in kurzen Abständen mehrmals wiederholt wird. Die Gottesanbeterin selbst nimmt Geräusche über ein auf der Brust sitzendes, unpaariges Hörorgan wahr.

Das faszinierende Insekt steht derzeit auf der Roten Liste und darf weder gefangen noch gehalten werden. Durch die wärmer werdenden Temperaturen breitete sich die Gottesanbeterin auch in Deutschland immer weiter aus und ist vielleicht irgendwann nicht mehr gefährdet.

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zuletzt bearbeitet am 5.X.2022