13. April 2023

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Gewöhnliche Vogelmiere: Zart und doch so stark

 Astrid von Reis

Der Winter ist vorbei und das Herz schlägt höher beim Anblick des frischen Grüns, das nun mit aller Macht wieder sprießt. Und allen voran und überall dort, wo gerade Platz ist, so in Gärten, auf brachliegenden Gemüsebeeten, in Wiesen und Parks, auf Äckern, an Wegrändern und Ufern findet sich die Gewöhnliche Vogelmiere, botanisch Stellaria media (L) Vill. aus der Familie der Nelkengewächse (Caryophyllaceae) ein. Diese einjährige zarte, krautige Pflanze kennt bei einigermaßen erträglichen Bedingungen keine Winterruhe, treibt früh, liebt stickstoffreiche, eher feuchte Böden, verträgt auch schattige Standorte, ist weltweit verbreitet und seit vielen Jahrhunderten als Heilpflanze und als Futter vor allem für Vögel geschätzt. Die Vorliebe bei Hühnern und ihr Aussehen hat ihr auch Namen wie Hühnermiere, Hühnerbiss und Hühnerdarm eingetragen.

Die Gewöhnliche Vogelmiere ist gut an ihren zarten, stark verästelten, bis 40 Zentimeter langen, meist niederliegenden, runden, einseitig behaarten Stängeln zu erkennen, die lockere grüne Rasen bilden. Die Laubblätter sitzen gegenständig, im unteren Bereich lang-, im oberen kurzgestielt an den Stängeln. Sie sind sattgrün, ganzrandig und zugespitzt eiförmig bis lanzettlich-elliptisch. Je nach Standort zeigen sich fast das ganze Jahr über, sicher von März bis Oktober, zarte, im Durchmesser fünf bis acht Millimeter kleine, weiße Blüten, die in wenigblütigen Trugdolden stehen. Die fünf lanzettlich zugeschnittenen Kronblätter sind tief eingeschnitten, so dass die Blüten wie kleine Sterne aussehen, welches sich im Gattungsnamen widerspiegelt: Stellaria enthält das lateinische Wort „stella“ für Stern. Obwohl die Blüte Nektar produziert und einige Insekten anzieht, findet meist eine Selbstbestäubung statt, indem sich die rot-violetten Staubblätter zu den Narben hin krümmen und nach der Befruchtung Kapselfrüchte entstehen. Die Vogelmiere verbreitet sich sehr schnell, eine Pflanze produziert etwa 15.000 Samen pro Generation.

Blüht im Frühjahr weiß: Die Gewöhnliche Vogelmiere

Stark ist die Pflanze nicht nur hinsichtlich ihrer Wuchsfreudigkeit, Vermehrung und Verbreitung, weshalb sie oft als besonders lästiges Unkraut verpönt wird. Ihre größte Stärke liegt in dem sehr hohen Gesundheitsnutzen für uns, sie gilt als heimisches Superfood und als Genussmittel (die ganze Pflanze kann genutzt werden, sie schmeckt nach jungen Erbsen) landet sie als Geheimtipp auf dem Teller, in Smoothies und wird als Tee getrunken. Neben vielen Vitaminen (50 Gramm Vogelmiere decken den Vitamin-C- Tagesgehalt eines Menschen), Flavonoiden, Eisen, Kieselsäure etc. ist vor allem der hohe Saponingehalt (schleimlösend) und Kaliumgehalt (auch wassertreibend) hervorzuheben.

In der Naturheilkunde findet die Pflanze gegen zahlreiche Erkrankungen wie Rheuma, Entzündungen, Leberprobleme, Husten, Hautprobleme Einsatz. Im 17. Jahrhundert schreibt der englische Apotheker Culpeper ein Rezept für die Haut: „Man koche eine Handvoll Vogelmiere und eine Handvoll getrockneter Blütenblätter von roten Rosen in einem Viertel Muskatellerwein, …; sodann füge man einen guten halben Liter Öl von Schafsfüßen hinzu und lasse alles eine gute Weile unter Umrühren köcheln. Nach dem Durchseihen reibe man die schmerzende Stelle damit ein, wärme sie am Feuer und massiere sie derweil mit einer Hand weiter ein.“ Es geht auch ohne Schafsfüße – Breikompressen, Tinkturen und Tees sind wirksam und auch heute noch in der Naturheilkunde anerkannt.

Und Sebastian Kneipp (1821-1897) schrieb: „Man kann den Hühnerdarm recht passend ein Lungenkraut im eigentlichen Sinne des Wortes nennen, weil er auflösend und schleimauslösend wirkt und auch bei Blutbrechen und Bluthusten sowie bei Hämorrhoiden, bei Nieren- und Blasenverschleimung sehr gute Dienste leistet.“

Sollte die Vogelmiere mal wieder im Weg sein, geben Sie sie nicht gleich auf den Kompost. Ab damit in den Salat, alleine oder vermischt mit noch weiteren reinigenden und stärkenden Wildkräutern wie Löwenzahn, Gänseblümchen und Giersch.

 

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zuletzt bearbeitet am 9.V.2023