18. April 2024
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Die Späte Trauben-Kirsche ist ein invasives Holzgewächs
Joachim Schmitz
Die heimische Trauben-Kirsche (Prunus padus) ist eine Art der Hartholzauwälder. Sie kommt also in ufernahen Wäldern vor. Wie sich das für eine Kirsche gehört, trägt sie im Sommer rote Steinfrüchte. Sie sind zwar nicht so süß wie die Kulturkirschen und viel kleiner, aber für Freunde von Wildobst eine Leckerei und natürlich auch für Vögel eine wichtige Futterquelle. Außerdem stehen die Blüten und damit später auch die Früchte nicht einzeln oder in wenigblütigen Dolden an den Zweigen sondern in mehrblütigen Trauben. Normalerweise blühen sie etwa Mitte April. In diesem beknackten Frühjahr habe ich allerdings auch schon Ende März blühende Pflanzen gefunden.
Seit einigen Jahrzehnten macht sich bei uns eine amerikanische Schwesternart breit, die Späte Trauben-Kirsche (Prunus serotina). Sie sieht sehr ähnlich aus, die Blätter sind aber etwas dunkler grün und schwach glänzend. Wie der Name schon andeutet, blüht sie etwa zwei bis drei Wochen später als die heimische Trauben-Kirsche.
In ihrer nordamerikanischen Heimat besiedelt sie ähnliche Biotope wie unsere Trauben-Kirsche. Offensichtlich kommt sie in Deutschland aber nicht gegen die heimische Trauben-Kirsche an. Dafür macht sie sich auf eher naturfernen Standorten breit. Man findet sie auf Sand- und Grusböden vor allem in Siedlungsnähe wie Industriebrachen, alten Kohlehalden, stillgelegten Bahntrassen und ähnlichen Standorten.
Selbst ohne Blüten ist die Späte Trauben-Kirsche gut an den dunkelgrün-glänzenden Blättern er-kennbar.
Die Späte Trauben-Kirsche ist ein typisches Beispiel für Pflanzen, die als Zier- und Nutzpflanzen eingeführt wurden, und jetzt Ärger machen. Die älteste Erwähnung stammt aus dem Jahr 1623, wo die Art bei Paris als totaler Exot gepflanzt wurde. Ab 1685 wurde sie auch in Deutschland kultiviert, in Brandenburg allerdings erst ab der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts und in Mecklenburg erst nach 1910.
Nach Empfehlung der Autoren Wangenheim um 1780 und von Burgsdorff 1806 wurde die Späte Trauben-Kirsche versuchsweise als Forstbaum angebaut, zunächst mit vielen Fehlschlägen. Gegen Ende des 19. Jhdt. wurde die Art dann erfolgreich im Waldbau eingesetzt. Damals wurden Anspruchslosigkeit und gute Eigenverjüngung noch als positive Eigenschaften hervorgehoben.
Zur gleichen Zeit tauchen in Brandenburg erstmals Meldungen auf, dass die Art verwildern kann. Wenig später wurde das auch bei Hamburg und Dessau beobachtet.
In der Folge hat sich die Art zu einem gefürchteten „Forstunkraut“ entwickelt. In und um Berlin, Braunschweig, Darmstadt, Frankfurt, Karlsruhe und Poznań (Posen) sowie in den Aufforstungsflächen der ostwestfälischen Senne hat sie sich unerwünscht ausgebreitet. Und das wie immer in solchen Fällen auf Kosten der heimischen Pflanzen. Bei einer Untersuchung in damals noch West-Berlin wurde ein Artenverlust von 1-5% festgestellt. Deshalb wird die Späte Trauben-Kirsche heute von forstlicher Seite gezielt bekämpft.
Ich habe das selbst vor ein paar Jahren im nordbelgischen Lommel gesehen, dass sich die Art massiv in einem Forst aus Rot-Eichen auf Sandboden breit gemacht hatte. Das Gleiche gilt für die benachbarten Niederlande, wo die Späte Trauben-Kirsche ein großes Problem darstellt. Mechanische Bekämpfung, sprich: Abholzen ist wie der Kampf gegen die Hydra. Für einen abgeschlagenen Kopf/Stamm wachsen wieder zwei neue nach. Deshalb versucht man in den Niederlanden den Einsatz des Violetten Knorpelschichtpilzes (Chondrostereum purpureum). Der hat weder Stiel noch Lamellen, wird aber neuerdings zu den Champignonartigen (Agaricales) gestellt. Der Pilz ist heimisch und befällt auch bei uns Laubbäume. In frühen Stadien zeigen die Blätter die sogenannte Silberblattkrankheit; später bewirkt er Weißfäule, zersetzt also das Holz, wonach der weiße Zellstoff übrig bleibt. Offensichtlich ist die amerikanische Trauben-Kirsche anfälliger als heimische Gehölze. Neuerdings versucht man auch in Berlin den Einsatz dieses Pilzes.
zuletzt bearbeitet am 28.IV.2024