2. Mai 2024

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Pflanzengesellschaft des Jahres: Sumpfdotterblumen-Wiesen

 Joachim Schmitz

2019 waren die Glatthafer-Wiesen die Gesellschaft des Jahres. Nun folgt ihr Pendant auf nassen Böden, die Wiesen der Sumpfdotterblume (Caltha palustris). Wissenschaftlich werden sie im Verband Calthion zusammengefasst. Innerhalb der Ordnung Molinietalia (benannt nach dem Pfeifengras Molinia caerulea), in der alle Sumpfwiesen subsumiert werden, kennzeichnen sie gedüngte, zweifach im Jahr gemähte Wiesen. Mit Düngung ist hier allerdings die traditionelle Düngung durch Stallmist o.ä. gemeint, nicht mit Kunstdünger, und schon gar nicht die moderne Güllewirtschaft.

Ähnlich wie die Glatthafer-Wiesen sind die Sumpfdotter-Wiesen eigentlich nicht natürlich sondern Produkt der landwirtschaftlichen Nutzung von Grünland. Das war aber so extensiv und naturschonend, dass sie in der modernen Ökonomie nicht mehr wirtschaftlich zu unterhalten sind. Dazu kommt noch, dass die heute üblichen sehr schweren Fahrzeuge im Sumpf einfach stecken bleiben würden. Im konventionellen Landbau sind diese Wiesen deshalb ausgestorben. Sie wurden trockengelegt oder aufgegeben. Es gibt sie fast nur noch in Naturschutzgebieten und sonstigen Flächen, die durch Vertragslandwirtschaft noch traditionell bewirtschaftet werden.

Die namengebende Sumpfdotterblume ist gar nicht mal so typisch. Sie kann auch in einigen anderen Feuchtbiotopen vorkommen. Z.B. kennzeichnet sie auch sehr nasse Typen von Auwäldern. Das war wahrscheinlich auch ihr ursprüngliches Habitat, bevor der Mensch im Mittelalter begann, Wälder zu roden, um sie in Grünland umzuwandeln.

Schlangenknöterich-Wiese bei Dreiborn, übrigens nicht im Bereich des heutigen Nationalparks.

Je nach der Dominanz einer Art wurden von früheren Autoren mehrere Gesellschaften beschrieben, die heute meist keine Anerkennung mehr finden und als „Verbandsgesellschaften“ des Calthion zusammengefasst werden. Charakterarten eigener Gesellschaften waren z.B. die Wiesen-Silge (Silaum silaus), die Stumpfblütige Binse (Juncus subnodulosus) oder die Wald-Simse (Scirpus sylvaticus). Im Rheinland häufiger ist nur die Wald-Simse, die allerdings selten flächenhafte Wiesen bildet, sondern eher begrenzte, quellige Stellen in Wiesen kennzeichnet. Dies wird schon 1944 vom Aachener Botaniker Schwickerath beschrieben, der das als eigene Gesellschaft Scirpetum sylvatici bezeichnete.

Zumindest im Rheinland ist als einzige anerkannte Gesellschaft das Angelico-Cirsietum oleracei übrig geblieben, die Gesellschaft der Kohl-Kratzdistel. Trotz der Größe sind die Blütenkopfe wegen ihrer weißlich-grünen Farbe unscheinbar, und mit den breiten, nur wenig bespitzten Blättern wird sie von Laien vielleicht gar nicht als Distel wahrgenommen. Geschlossene Kohl-Kratzdistel-Wiesen gibt es allerdings kaum noch. Wie viele andere Arten der Sumpfwiesen hat sich die Art auf Wassergräben, feuchte Böschungen und ähnliche Ersatzbiotope „gerettet“.

Zu den Kennarten des Verbandes zählt die Kuckuckslichtnelke (Lychnis flos-cuculi). Die hat ihren Namen von der „Kuckucksspucke“, die kein Kuckuck an den Stängel gespuckt hat; vielmehr entwickelt sich darin eine Zikade. Die Sammelart Sumpf-Vergissmeinnicht ist in der Eifel durch das Hain-Vergissmeinnicht (Myosotis nemorosa) vertreten, in tieferen Lagen wird es durch das Sumpf-Vergissmeinnicht i.e.S. (M. scorpioides) ersetzt. Schließlich gehören auch noch Sumpf-Hornklee (Lotus uliginosus), Sumpf-Pippau (Crepis paludosa) und Schlangenknöterich (Bistorta officinalis, früher Polygonum bistorta) dazu.

Der Schlangenknöterich kann auch spektakuläre Massenbestände bilden, was mangels engerer Charakterarten schon immer als Verbandsgesellschaft eingestuft wurde. Aber auch die werden immer seltener. Das Foto von der Dreiborner Hochfläche stammt aus dem Jahr 1983.

Abgesehen von wenigen Arten wie z.B. der Wiesen-Silge, die schon immer ziemlich selten waren, sind die meisten Kennarten noch nicht gefährdet. Das liegt aber nur daran, dass es genügend Ersatzstandorte gibt wie Wassergräben, nasse Böschungen usw. Ihr angestammtes Biotop, eben die Sumpfwiese, ist aber stark gefährdet. Das zeigt, dass der Schutz einzelner Arten nicht ausreicht. Es kommt auch auf den Schutz gefährdeter Biotope an.

 

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zuletzt bearbeitet am 12.VI.2024