14. Nov. 2024
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Chiasamen: Marketing-Hype oder wirklich ein Superfood?
Astrid von Reis
Superfood, Powerkorn, total gesund, unentbehrlich, einzigartig Gesundheitsversprechen, die dem Samen der Mexikanischen Chia nachgesagt werden. Sind die kleinen Samen wirklich ein Superfood, also nach dem Europäischen Informationszentrum für Lebensmittel „ein Lebensmittel,.., das aufgrund seines Nährstoffgehaltes einen höheren gesundheitlichen Nutzen als andere Nahrungsmittel hat“? Oder nach Professor Marc Birringer (2022): „Superfood ist ein Marketingbegriff, der gesetzlich nicht reguliert ist. Er beschreibt (teure) Lebensmittel und Nahrungsergänzungen mit (zumeist) vorgeblichen Gesundheitsaussagen, …“.
Die Mexikanische Chia („chia”, spanisch, ist abgeleitet aus der Sprache Nahuatl, „chian”, und bedeutet ölig) gehört innerhalb der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae) zur Gattung Salvia, und trägt den botanischen Namen „Salvia hispanica, L”.. Die Pflanze mit dem für Lippenblütler typischen vierkantigen Stängel mit kreuzgegenständigen, eiförmigen und spitz zulaufenden, hellgrünen Laubblättern wurde von den spanischen Eroberern früh ins Mutterland importiert und hier kultiviert. So kam es durch Linné irrtümlich zu dem botanischen Artnamen „hispanica”, nicht zu verwechseln mit Salvia lavandulifolia” der Spanischer Salbei genannt wird.
Die Mexikanische Chia ist verwandt mit dem uns bekanntesten, aus dem Mittelmeerraum stammenden Vertreter der Gattung, dem Echten Salbei, Salvia officinalis, L. Abgeleitet von dem lateinischen Wort „salvere”, „sich wohl fühlen“ weist der Gattungsname auf Heilwirkungen hin. Und tatsächlich, nicht nur der schon früh geschätzte und beschriebene Echte Salbei sondern viele der etwa 900 Arten dieser Gattung „Salvia”, sind tatsächlich in den jeweiligen Ursprungsgebieten in der Naturheilkunde aber auch in der Küche lange bekannt.
So hatte überwiegend der Samen, vereinzelt auch andere Pflanzenteile der einjährigen, verzweigten, krautigen, bis 1,75 Meter hoch wachsenden Mexikanischen Chia in ihrer Heimat Mexiko und Zentralamerika bei den Azteken und Tolteken primär eine sehr große Bedeutung im medizinischen Bereich und, ähnlich wie Mais, als Grundnahrungsmittel: Der Samen wurde ganz oder gemahlen, als Samenschleim oder das in ihm enthaltene Öl genutzt.
In der postkolumbianischen Zeit brach hier der Chiaanbau stark ein, gemahlene Chiasamen werden nur noch wenig genutzt, beliebt bis heute zu ist allerdings ein aus den ganzen Samen erzeugtes Erfrischungsgetränk mit Zitrone, Fruchtsaft oder Zucker: „Agua de Chia”.
Die blassblauen oder weißen in Scheinquirlen stehenden Lippenblüten produzieren wie alle Salbeiarten reichlich Nektar. Sie sind als Bienenweiden und hinsichtlich eines Superlativs zumindest für die Insekten und je nach Standort auch für Kolibris sehr interessant.
Nach der Befruchtung entstehen vierteilige Klausenfrüchte, die nach der Reife in durchschnittlich zwei Millimeter lange und einen Millimeter breite, ovale, braune, weiße, gefleckte einsamige Teilfrüchte, die Klausen (Nüsschen), zerfallen.
Sättigend und stopfend
Werden diese Klausen in Wasser eingelegt, bilden sie eine schleimige Polysaccharidschicht, sie können mehr als das Zehnfache ihres Gewichts an Wasser absorbieren und damit bis zum zwölffachen ihrer eigenen Größe aufquellen. Durch diese Eigenschaft wirken sie wie Ballaststoffe und können sättigend oder stopfend wirken. Chiasamen stecken voller wertvoller Inhaltsstoffe: hochwertige pflanzliche Proteine und essenzielle Aminosäuren, ungesättigte Fettsäuren mit einem günstigen Verhältnis an Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren (3:1), Vitamine, Mineralstoffe, Antioxidantien.
Ist Chia nun wirklich ein Superfood? Die Samen sind tatsächlich eine gute Quelle an wertvollen Inhaltstoffen, die den Körper bei vielen physiologischen Prozessen unterstützen.
Vergleichende Studien mit Leinsamen zeigen allerdings, dass die Wirkung der beiden auf die Verdauung und ihr Nährstoffgehalt absolut vergleichbar sind. Wenn Chia also ein Superfood sein soll, dann ist es die heimische, preisgünstige Alternative, der Leinsamen, auch.
zuletzt bearbeitet am 8.XII.2024