3. April 2025
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Schafe lammfromm oder stur wie ein Bock
Karl Josef Strank
Schafe gelten gemeinhin als dumme und einfältige Tiere, die alles ertragen. Die Redewendungen „dummes oder albernes Schaf“, „das schwarze Schaf in der Familie“, „den Bock zum Gärtner machen“, „ein Schäferstündchen halten“, „Sündenbock“, „Opferlamm“ oder „Wolf im Schafspelz“ reichen von Verehrung bis Verachtung. Den Ägyptern war der Widder mit seinen starken Hörnern heilig. Er galt als Inbegriff von Schöpfung, Fruchtbarkeit und Schutz. Alexander der Große ließ sich mit Widderhörnern abbilden. Die Argonauten stachen in See, um das „Goldene Vlies“, das Fell eines sagenhaften Widders zu suchen. Im alten und neuen Testament der Bibel steht das Lamm als symbolisches Opfertier bereit und wird durch die Befreiung von Sünden auch mit Unschuld und Reinheit verbunden. Christen verehren und verspeisen insbesondere zur Osterzeit das „Osterlamm“ in vegetarischer Form als Kuchen. Bei so viel mythologischem und religiösem Hintergrund hat das Schaf es auch in den Himmel geschafft. Im Sternzeichen des Widders Geborenen sagt man nach, dass sie „mit dem Kopf durch die Wand“ wollen.
Schafe gibt es fast überall auf der ganzen Welt. Unter den landwirtschaftlichen Nutztieren sind sie fast so häufig wie Rinder. Sie sind als Haustiere sehr genügsam, sie blöken, mähen und meckern. Domestiziert wurden sie vor etwa 11.000 Jahren. Die heutigen Hausschafe stammen vom Mufflon und dem Westlichen Wildschaf ab. Um 6.000 v.Chr. wanderten die Menschen samt ihren Schafen nach Europa ein. Ideale Haustiere sind sie, weil sie keinem religiösen Tabu unterliegen, ein breites Nutzungsspektrum bieten und äußerst anpassungsfähig sind. Keine Religionsgemeinschaft verbietet die Tötung von Schafen und den Verzehr von Schaffleisch. Schafe liefern neben Fleisch und Wolle auch Milch, die entweder frisch genutzt oder zu Käse verarbeitet wird. Schafsmilch enthält doppelt so viel Fett wie Kuhmilch und die Fettsäuren sind zudem verdaulicher als die der Kuhmilch. Der Gehalt an Vitaminen A, E, D und B12 ist ebenfalls höher. Schafskäse gibt es von Frisch- über Weich- bis Hartkäse. Bekannt sind Feta aus Bulgarien und Griechenland, Roquefort aus Frankreich, Manchego aus Spanien, Pecorino (Schaf ist ital. „pecore“) und Ricotta aus Italien.
Die Nutzung der Wolle stand früher im Vordergrund. Mit dem Aufkommen künstlicher Fasern ist diese Verwendung stark zurückgegangen. Wegen der Wolle stand die Schäferei im 14. -16. Jhd. in Deutschland lange unter herrschaftlichem Schutz, denn die Wolle war wichtiger Rohstoff für das aufblühende Tuchmachergewerbe und brachte Reichtum und Wohlstand. Schäfer genossen das königliche Vortanzrecht, was heute noch bei traditionellen Volksfesten in Süddeutschland erinnert wird.
Schafe fressen Gräser, Kräuter und käuen wieder. Sie werden daher heute vorzugsweise als natürliche Rasenmäher eingesetzt. In dieser Eigenschaft unterstützen sie die Landschaftspflege. Im Gegensatz zu mechanischen Mähmaschinen schonen sie Insekten und andere Kleintiere. Mit ihrem Kot liefern sie natürlichen Dünger, erhalten gesunden und fruchtbaren Boden und fördern den Artenreichtum von Pflanzen. Erfreulicher Nebeneffekt: Wo Schafe grasen, gibt es weniger Zecken.
Unzählige Rassen hat der Mensch im Laufe der Jahrtausende gezüchtet. Schafe sind extrem anpassungsfähig und so gibt es sie vom Flachland bis ins Gebirge und den gemäßigten Breiten bis in trockene Steppen- und Wüstengebiete. Die beste Wolle liefert nach wie vor das Merino-Schaf aus Osteuropa. Das genügsame Rhönschaf ist gut geeignet für raues, feuchtes Klima und wird dort zur Landschaftspflege eingesetzt. Es liefert gutes Fleisch mit Wildcharakter. Das robuste Jacobschaf aus Großbritannien hat 4 Hörner, die sparrig abstehen. Unter den Schafhaltern hat es viele Liebhaber gefunden. Das ebenfalls vierhörnige Navajo-Churro erträgt heißes-trockenes Klima. 1538 aus Spanien nach Südwest-Amerika gebracht, erbeuteten die Indianer einige und hielten große Herden. Vier gilt ihnen als magische, heilige Zahl (vier Elemente, Himmelsrichtungen, Jahreszeiten etc.) und so wurden die Schafe als Geschenk Manitous und Glückszeichen angesehen.
zuletzt bearbeitet am 7.V.2025