10. April 2025
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Missbildungen beim Löwenzahn
Joachim Schmitz
Genaugenommen reden wir hier von der Gewöhnlichen Kuhblume (Taraxacum sectio Taraxacum). Der volkstümliche Name Löwenzahn geht noch auf Linné zurück, der das in die Gattung Leontodon gestellt und L. taraxacum genannt hat. Leontodon kommt aus dem Griechischen und heißt auf Deutsch eben Löwenzahn.
Löwenzahn ist bekannt für die Häufigkeit von Missbildungen. Drei davon habe ich gefunden und möchte sie hier im Bild vorstellen.
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Verbänderung
(19. 4. 2022 in Linz (Rhein)![]()
Zwangsdrehung
(AC-Lichtenbusch am 19. 5. 2007)![]()
Doppelkopf
(AC-Nütheim am 6. 5. 2023)
Verbänderung (Fasziation)
Hierbei trennen sich Spitzen- und Seitenknospen nicht richtig, so dass sie als zusammenhängender Scheitel auswachsen und abgeflachte Stängel bzw. Äste produzieren. Beim Löwenzahn sehen dann auch die Blütenköpfe merkwürdig verquetscht aus, weil es eben in Wirklichkeit 2 oder 3 sind. Verbänderungen können verschiedene Ursachen haben. Beim Löwenzahn ist es vermutlich eine spontan auftretende Entwicklungsstörung. Der Botaniker A. Rippel will eine Verbänderung durch beidseitig angebrachte Klemmbrettchen experimentell hervorgerufen haben (1922: Angewandte Botanik Bd.4). Der berühmte Klassische Genetiker De Vries hielt die Verbänderung für vererbbar.
Zwangsdrehung
Bei dieser Entwicklungsstörung wachsen die Triebe nicht gerade sondern krümmen sich mehr oder weniger spiralig nach oben. Dabei sind sie oft etwas aufgeblasen, manchmal auch mit Verbänderung verbunden. Deshalb werten manche Autoren das auch nur als Unterfall der Verbänderung.
Doppelköpfe
Manchmal findet man am Ende des Blütenschafts nicht ein sondern zwei oder sogar drei Köpfchen. Das könnte man als Atavismus, also stammesgeschichtliche „Erinnerung“ an Vorfahren mit verzweigten Blütenständen halten. Wahrscheinlich ist das aber wieder eine Entwicklungsstörung, bei der sich die Anlage für ein Köpfchen relativ spät noch mal in zwei oder drei aufspaltet. Im Gegensatz zur Verbänderung bleibt der Blütenschaft dabei normal.
Warum gerade Löwenzahn?
Vielleicht ist jemandem aufgefallen, dass ich den Begriff Art bis hierhin peinlichst vermieden habe. Das liegt an der besonderen Fortpflanzungsbiologie. Die meisten Arten sind Apomikten. D.h. sie vermehren sich nicht sexuell. Es kommt also nicht zur Vermischung elterlichen Erbguts. Vielmehr sind in den Früchten genetisch identische Klone der Mutterpflanzen. Was für Linné eine Art war, ist heute eine Sektion mit bisher 282 für Deutschland beschriebenen Arten! Jede neue Mutation führt sofort zu einer neuen Art. Eine gesunde Erbanlage eines Elters kann nicht eine Mutation im anderen Elternteil kompensieren und so kommen Mutationen auch viel leichter zur Ausprägung.
Nach meiner Erfahrung sind solche Missbildungen aber auch nicht so häufig, wie man das dann erwarten sollte. Vielleicht ist es ja so, dass nicht ein konkretes Merkmal sondern eine Disposition vererbt wird, also ein Risiko, dass eine bestimmte Krankheit auftritt, die muss aber nicht zwingend eintreten. Das könnte auch die widersprüchlichen Angaben in der Literatur erklären.
zuletzt bearbeitet am 7.V.2025