17. April 2025
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Krapp und der türkische Fez
Ruth Gestrich-Schmitz
Ostern steht vor der Tür und nicht nur die Kinder freuen sich über bunte Ostereier. Traditionell werden Eier hart gekocht, in allen Regenbogenfarben gefärbt, bemalt und phantasievoll verziert. Vor einigen Jahren hatte ich in der Apotheke eine Tüte mit Krappwurzel-Rindenstückchen gekauft, in ein Mullsäckchen gefüllt und in den Topf zu den Eiern, ob weiß oder braun, gegeben. Die Eierschale erstrahlte nach dem Kochen in einem wunderschönen kräftigen Rot. Weil einige der in der Krappwurzel enthaltenen Inhaltsstoffe jedoch im Verdacht stehen, krebserregend und genverändernd zu wirken, sind mittlerweile alle Mittel, die Krappwurzel enthalten, für Lebens- und Arzneimittel nicht mehr zugelassen. Für die Färbung von Textilien darf das synthetisch hergestellte, für die rote Farbe verantwortliche Alizarin weiterhin verwendet werden.
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Die Krappwurzel wurde bereits im alten Ägypten zur Textilfärbung genutzt, wie Funde aus dem Grab des Tutanchamun zeigen. Die Römer verwendeten den roten Farbstoff in Kombination mit Indigo als Imitat für das sehr teure Purpur. In der Landgüterverordnung Karls des Großen ist unter den Pflanzen, die er in seinen Gärten angebaut haben wollte, der Krapp als Färbepflanze aufgeführt. Im östlichen Mittelmeergebiet bis Vorderasien heimisch, war Krapp bis zur erstmaligen Herstellung von synthetischem Alizarin 1868 durch die Chemiker Carl Graebe und Carl Liebermann der wichtigste Lieferant eines roten Farbstoffes in Europa.
Krapp (Rubia tinctorum), auch Färberröte, Türkischrot oder Färber-Wurtz genannt, ist eine ausdauernde, mehrjährige, frostharte Pflanze aus der Familie der Rötegewächse (Rubiaceae), der auf tiefgründigen, sandigen, nährstoffreichen Lehmböden in warmen Regionen am besten wächst. Die bis achtzig Zentimeter hohen, vierkantigen Stängel und die quirlständig stehenden, lanzettlichen Blätter fühlen sich kratzig an, weil sie mit winzigen, rückwärts gerichteten Stachelzähnchen besetzt sind. Darauf nimmt wohl der Name „Krapp“ Bezug, abgeleitet vom mittelhochdeutschen „Krap(f)e“ für „Haken“. In den Blattachseln erscheinen von Juni bis August kleine grünlich-gelbe Blüten mit fünf Blütenblättern. Im September reifen die erbsengroßen, schwarzen Steinbeeren heran. Die Wurzeln sind zwanzig bis dreißig Zentimeter lang und etwa zwölf Zentimeter dick. In der Volksmedizin wurde die Wurzel früher als harntreibendes Mittel, bei Nieren- und Blasensteinen und bei Gelbsucht eingesetzt.
Die zitronengelbe Ruberythrinsäure, aus der beim Trocknen (mehrere Wochen bis zu zwei Jahre) das rote Alizarin entsteht, befindet sich vor allem in der inneren Wurzelrinde. Das Alizarin zeichnet sich durch eine hohe Licht- und Waschechtheit aus. Bereits im Altertum haben Griechen, Römer, Perser und Inder und später dann vor allem die Türken den Krapp als Färbepflanze angebaut und genutzt. Die türkische Kopfbedeckung, der Fez, sowie Teppiche, Wolle, Seide, Leder und Baumwolle wurden damit gefärbt. Garne und Textilien mussten vor dem Färben mit Metallsalzen gebeizt werden, damit der Farbstoff haften blieb. Durch die Wahl der Beize (Alaun- oder Eisenbeize) und die Nachbehandlung mit verschiedenen Metallsalzen, wie beispielsweise Zinn(II)chlorid, ließen sich Farbtöne von Orange bis Violett erzielen. In Holland war ab dem 15.Jh. der Krappanbau insbesondere auf den Inseln Walcheren, Schouwen, Goeree und im Gelderland hochentwickelt und bildete über Jahrhunderte eine Grundlage des holländischen Reichtums. Im 18.Jh. entstand in der Gegend um Avignon eine berühmte Krappkultur mit sehr farbstoffreichen Pflanzen. Ab 1815 wurden in Frankreich jahrzehntelang die Hosen der Soldaten mit Krapp leuchtend rot gefärbt. Vermutlich hat deshalb meine Oma, immer wenn ich als Kind eine rote Hose trug, zu mir gesagt: „Du siehst aus wie der Franzos´ mit der roten Hos´“.
Als 1871 das synthetisch hergestellt Alizarin in den Handel kam, wurde der Anbau von Krapp eingestellt. Heute gibt es in Europa nur noch vereinzelt kleine Anbaugebiete.
zuletzt bearbeitet am 7.V.2025