30. Okt. 2025

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Florale Begleiter von Tod und Trauer

 Karl Josef Strank

Der Schweizer Maler Arnold Böcklin schuf in mehreren Versionen ein Gemälde, die Toteninsel, das in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Davon angeregt schuf Max Reger eine Tondichtung gleichen Namens. Eine weiße Gestalt wird in einem Nachen auf eine Insel gerudert, die aus massigen, aufragenden Felsen mit tempelartigen Grablegen besteht. In deren Mitte stehen hohe, dunkle in den mit grauen drückenden Wolken verhangenen Himmel ragende Zypressen. Schlanke aufrechte Zypressen lassen heute eher an südliche Urlaubsgefilde denken. Viktor Hehn, Kulturhistoriker, drückte es so aus: „Wo die Zypressen beginnen zu wachsen, da beginnt das Reich der Formen, der ideale Stil, da ist klassischer Boden.“ Die antiken Dichter assoziierten den Baum mit Trauer und Tod. Plinius d.Ä. bezeichnet sie als den Baum des Pluto, des Herrschers der Unterwelt. Im Süden weisen vielfach Zypressenalleen den Weg zu einem Friedhof.

Ovid erzählt vom Jüngling Cyparissus, der sich meistens im Wald aufhielt und einen Hirsch mit goldenem Geweih, der den Nymphen heilig war, seinen Gefährten nannte. Eines schwülen Sommertages legte dieser sich in den Schatten der Bäume und ohne zu wollen, durchbohrte der Jüngling das Tier mit seinem Speer. In völliger Verzweiflung flehte er die Götter an, ihm zu erlauben für immer zu trauern, woraufhin sie ihn in eine Zypresse verwandelten, den Baum des Schmerzes und des Leids. Römische Priester, die in Vollmondnächten dem Pluto Opfer darbrachten, waren mit Zypressen bekränzt. Häuser, in denen jemand gestorben war, wurden mit Zypressenzweigen kenntlich gemacht. Zeus, der Herr über Leben und Tod, hatte ein Szepter aus Zypressenholz und Amor, der für gewöhnlich seine Pfeile aus Buchsbaumholz schnitzte, bevorzugte für die wichtigen Fälle Pfeile aus Zypressenholz. Gibt es ein besseres Symbol für das Liebesleid?

Die Zypresse gilt aber auch als Baum des Lebens, denn bei allem Schmerz und bei aller Trauer erhofften sich die Menschen vom Sterben ein neues Leben und glaubten an einen neuen Anfang. So eng Liebe und Tod auch zusammengehören, die Zypresse steht für das Aufstrebende, Heilige und Neugeborene.

Auch Blumen spielen bei der Bewältigung von Trauer und Tod seit alters her eine wichtige Rolle. Der Salbei ist in vielen Arten auf der Welt verbreitet. Unser Gartensalbei ist eine uralte Heilpflanze, schließlich bedeutet das lat. salvare „heilen“. Ein alter medizinischer Merkspruch besagt: „Warum soll der Mensch sterben, wenn doch Salbei im Garten wächst?“ Die Antwort ernüchtert: „ … weil gegen den Tod kein Kraut gewachsen ist.“ Dennoch hielt sich lange der hartnäckige Aberglaube, dass Salbei unsterblich mache. Als Symbol des Gedenkens an die Verstorbenen wurden frische Salbeiblätter auf die Gräber gestreut oder Salbei darauf gepflanzt.

Eine sehr ambivalente Symbolik zwischen Liebe, Tod, treues Gedenken und Unsterblichkeit hat auch der Rosmarin. Nichts drückt das besser aus als das folgende Gedicht: „Ich hab die Nacht geträumet, wohl einen schweren Traum; es wuchs in meinem Garten ein Rosmarienbaum. / Ein Friedhof war mein Garten, ein Blumenbeet das Grab. Und von den hohen Bäumen fiel Kron´ und Blüt´ herab. / Die Blüten tät ich sammeln in einem güldnen Krug. Der fiel mir aus den Händen, dass er in Stücke schlug. / Draus sah ich Tränen rinnen Und Tröpflein wie Blut so rot. Was soll der Traum bedeuten? Herzliebster, bist du tot?“ In der Gegend des Vogelsberg war es lange Brauch, dass die Sargträger einen Rosmarinzweig im Mund hatten, den sie dem Toten ins Grab nachwarfen. Im englischen Shropshire tragen alle Gäste während der Trauerprozession Rosmarinzweige, die sie dann ins offene Grab werfen. Bruder Lorenzo wendet sich an der vermeintlichen Leiche Julias mit den Worten an Romeo: „Hemmet eure Tränen, streuet Rosmarin / auf diese schöne Leich´ und nach der Sitte / tragt sie zur Kirch´ in ihrem besten Staat.“

Zum liebenden Gedenken an die Toten werden in den kommenden Tagen der Trauer viele wieder Chrysanthemen auf die Gräber bringen. In ihrer Heimat China sind sie das Symbol für ein langes Leben.

 

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zuletzt bearbeitet am 5.XI.2025