23. Okt. 2025

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Gefleckte Weinbergschnecke profitiert vom Klimawandel

Ruth Gestrich-Schmitz

Es ist schon ein fieses Gefühl, zusammen mit diesem knirschenden Geräusch, wenn man auf ein Schneckenhaus tritt. Nach einem Regenguss und in der Dunkelheit, im Jahr der Schneckenplage 2024, hatte man kaum Platz zum Treten, so viele Gefleckte Weinbergschnecken waren dann unterwegs.

Zusammen mit ihrer größeren Verwandten, unserer heimischen Weinbergschnecke (Helix pomatia), gehört die Gefleckte Weinbergschnecke (Cornu aspersum) zur Familie der Schnirkelschnecken (Helicidae). Die Farbe und die Musterung ihres Gehäuses unterscheidet sich deutlich von Helix pomatia: Die Schale der Gefleckten Weinbergschnecke hat eine gelbliche bis bräunliche Grundfarbe mit meist mehreren dunklen Längsbändern und oft hellen Sprenkeln. Hell gelbliche Zickzackstreifen verlaufen quer dazu. Und die Oberfläche der Schale fühlt sich runzlig an. Ursprünglich im milden Klima des Mittelmeerraums beheimatet, hat sie durch Verschleppung mit Obst- und Gemüsetransporten weite Verbreitung gefunden und es so bis nach Amerika, Australien, Neuseeland und Südafrika geschafft. Im Zuge der Klimaerwärmung findet man sie heute fast überall in Mitteleuropa. Sie ist sehr anpassungsfähig und besiedelt Lebensräume wie Wiesen, Heiden, Wälder, Gärten, Parkanlagen, Küstengebiete und, wenn die Winter mild genug sind, felsige Gebiete bis in Höhen von eintausend Metern.

Links die Gefleckte Weinbergsschnecke (Cornu aspersum), rechts die heimische Weinbergsschnecke (Helix pomatia).

Die Gefleckte Weinbergschnecke ist überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv, bei Regen trifft man sie auch tagsüber an. Ausgewachsene Tiere ernähren sich ausschließlich von pflanzlichem Material, wobei sie in der Regel welke und abgestorbene Pflanzenteile den frischen vorziehen. Ist im Frühling nur wenig Welkes zu finden und treten diese Schnecken in Massen auf, machen sie sich mit ihrer Raspelzunge auch über lebende Pflanzen her. Junge Tiere ernähren sich manchmal kannibalistisch von ihren Geschwistern. Unterschlupf sucht die Gefleckte Weinbergschnecke tagsüber bevorzugt zwischen Mauern und Steinen oder unter dichtem Pflanzenbewuchs.

Im Gegensatz zur heimischen Weinbergschnecke, die ihr Gehäuse bei längerer Trockenheit und im Winter mit einem dichten Kalkdeckel verschließt, schützt sich die Gefleckte Weinbergschnecke nur mit einer dünnen Membran aus eingetrocknetem Schleim, der sich nicht als Kälteschutz für tiefe Temperaturen eignet. Ist der Winter aber mild oder finden die Schnecken ausreichend geschützte Rückzugsmöglichkeiten, ist für reichlich Nachwuchs im Frühling gesorgt.

Gefleckte Weinbergschnecken sind, wie viele Schnecken, Zwitter. Jedes Tier besitzt sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsorgane und kann damit sowohl als Weibchen als auch als Männchen fungieren. Beim Liebesspiel kommt manchmal ein Liebespfeil aus Kalk zum Einsatz, der dem Partner ein Hormonsekret injiziert, das die Befruchtung stimuliert. Die Eier werden im Frühjahr oder Herbst in selbstgegrabene Erdhöhlen gelegt. Nach wenigen Wochen schlüpfen daraus vollständig entwickelte Jungschnecken mit Schale, die noch etwa fünfzehn bis zwanzig Tage im Erdreich verharren.

Die Gefleckte Weinbergschnecke gilt, wenn sie in Massen auftritt, als Garten- und Agrarschädling. Andererseits ist sie, vor allem in Frankreich, als Escargot petit gris, eine begehrte Delikatesse und die dort am häufigsten verspeiste Schnecke. Die anspruchslose, schnellwüchsige Cornu aspersum eignet sich besonders gut für die kommerzielle Massenproduktion.

In Süddeutschland und Österreich erlebt die Schneckenzucht eine Renaissance. Hier legt man besonderen Wert auf naturnahe Schneckenzucht von April bis Oktober im Freilandgarten zwischen Gemüse und Kräutern. Die Gefleckte Weinbergschnecke liefert ein proteinreiches Fleisch, dessen Erzeugung deutlich weniger Ressourcen im Vergleich zu Rinder-, Schweine- oder Geflügelzucht verbraucht.

 

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zuletzt bearbeitet am 5.XI.2025