Name im Capitulare | Nr. | Botanischer Name | Familie |
abrotanum | 7 | Artemisia abrotanum L. | Asteraceae |
|
Botanische Beschreibung der Art
Die Eberraute ist eine fast winterharte Staude oder Halbstrauch, je nach Klima sommer- oder halb wintergrün, die in den gemäßigten Zonen der nördlichen Hemisphäre auf trockenen, steinig-lehmigen Böden und in geschützter Lage wächst. Sie ist in Teilen Europas eingebürgert, aber inzwischen selten geworden. Bei uns findet man sie nur noch in Bauerngärten. Hin und wieder wird sie auch als Gewürzpflanze gezogen und tritt dann auch vereinzelt und unbeständig verwildert auf. Ihr genauer Ursprung ist nicht festlegbar. Sie könnte aus dem Mittelmeerraum, aus Vorderasien oder vielleicht aus Südwestasien stammen.
Die Eberraute gehört zu den Beifußarten und damit zur Familie der Asteraceen. Wie Beifuß und Wermut strömt sie einen durchdringenden aromatischen Geruch aus, ähnlich dem Zitronenduft. Die Pflanze wächst 1 – 1,5 m in die Höhe und 30 – 60 cm in die Breite. Erst im Spätsommer (Juli – Oktober) zeigen sich die sehr kleinen gelben Blüten in fast kugeligen Körbchen, die zu mehreren hundert kurz gestielt, nickend und allseitswendig in einer dichten, stark beblätterten Rispe am Ende des Stengels angeordnet sind. Die Körbchen haben einen Durchmesser von 3 – 4 mm. In kalten Sommern setzt die Blüte aus. Gewöhnlich bildet sich in Deutschland auch kein Fruchtansatz. Die Pflanze lässt sich aber sehr gut vegetativ über Stecklinge, die rasch bewurzeln, vermehren. Die Stengel wachsen aufrecht und sind in der unteren Hälfte oft kahl, verholzt und brüchig. Oberwärts sind sie mehr oder weniger kurz, dicht und zum Teil graufilzig behaart. Die Stengelblätter sind wechselständig, graugrün, ein- bis zweifach fiederteilig, 3 – 8 cm lang, ungestielt und enden im oberen Teil in fädlich schmalen Zipfeln. Die unteren Blätter haben auch an der Ansatzstelle am Stengel Zipfel, die 0,2 – 0,5 mm breit sind. Alle Blätter sind meist oberseits kahl, unterseits schütter oder graufilzig behaart.
Die oberirdischen Teile der
Eberraute enthalten ätherisches Öl, Bitter- und Gerbstoffe, Rutin,
Cumarin und Abrotin, ein chemisch nicht näher untersuchtes Alkaloid.
Ihre Blätter schmecken bitter-würzig, etwas feiner als die Blätter
des Beifuß.
Geschichte
Der deutsche Name "Eberraute" weist weder auf eine enge Verwandschaft zur Raute hin, noch hat er irgendeinen Bezug zum Eber. Er dürfte vielmehr eine Verbalhornung des lateinischen abrotanum oder des griechischen abrotos = unsterblich sein ("unsterblich" meint KÜSTERS, weil das fast immergrüne Laub der Eberraute so frisch wirkt, als könne es nicht verdorren oder absterben). Tatsächlich ist die Eberraute überhaupt ein sehr langlebiges Gewächs. "Stabwurz", wie die Pflanze auch genannt wird, könnte man als Namen von den gerade wachsenden Schösslingen herleiten, "von denen man glaubte, dass sie Pfeilspreißen und Dörn auszögen" (VON PERGER).
Nach BECKMANN hieß die Eberraute früher auch Eberreis oder Mugwurz von kelt. mug = erwärmen. Dafür spricht, dass bei Dioskorides Stabwurzsamen in Öl vermischt gegen Schüttelfrost wirken, also ein Mittel sind, das Wärme erzeugt. Der "stabähnliche Beifuß" (Artemisia abrotanum) war bei den Griechen der Göttin Diana, der Schützerin der Gebärenden, geweiht und galt – und gilt heute noch – als ein Mittel, das die Menstruation beschleunigt. Darüberhinaus empfiehlt Dioskorides den Samen der Eberraute in Wasser zerkleinert oder gekocht als Brühe gegen Kurzatmigkeit, Krämpfe, Brüche, Hüftbeschwerden, mit Brot oder Quitten vermengt oder mit Gerstenmehl, Wasser oder Öl vermischt als Umschläge bei Geschwüren. Auch Hildegard von Bingen empfiehlt den Saft der Eberraute gegen Grind, Beulen und Geschwüre. Sie gibt den Rat, Umschläge aus einem Gemisch von Saft, altem Fett und Baumöl – alles in einer Pfanne gedünstet – aufzulegen "auf das Glied, dem die Gicht so wütet".
VON PERGER berichtet in den Pflanzensagen weiter, dass die Eberraute, die er als Beifuß bezeichnet, als probates Mittel gegen üble Geister, Behexung und sogar Feuersbrünste galt. Beifußwurzeln, an das Haus genagelt, schlugen selbst den Teufel in die Flucht. Ein Schlag mit einem Beifußstengel entzauberte behexte Milch und verschrieene Eier und löste die Behexung von Kindern. Und man konnte aller Übel ledig werden, wenn man um Johannis (24.Juni) Beifuß ausgrub, sich mit den Zweigen umgürtete und anschließend diese Kränze in das Johannisfeuer warf. Beifuß vertrieb alle "Wibel" (Käfer) und anderes Ungeziefer aus den Speichern und schützte – an die Füße oder Beine gebunden - vor Hunde- und Schlangenbissen, wovon auch Dioskorides überzeugt war. Allerdings musste man nach seiner Auffassung Eberraute in Wein trinken.
Beifuß sollte sogar die Schwindsucht heilen und wurde im 17. Jahrhundert als Mittel gegen die Pest eingesetzt. Noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts (Mrs. GRIEVE: A Modern Herbal 1931) wurden in England bei Gerichtsverhandlungen neben dem auf der Anklagebank sitzenden Angeklagten ein Bündel Eberraute und ein Bündel Weinraute (Ruta graveolens, Nr. 6 im Karlsgarten) aufgehängt. Damit sollte der Ansteckung mit Gefängnisfieber (wahrscheinlich Paratyphus) vorgebeugt werden.
Die Menschen nutzten die Eberraute aber auch als Würzpflanze bei
der Zubereitung fetten Fleisches und anderer Speisen und Getränke.
Auch als Duftpflanze wurde sie verwendet. Schon die alten Römer wanden
Duftkränze aus der Eberraute, und die Menschen im Mittelalter taten
dasselbe. KÜSTERS berichtet von einem Brauch in Norddeutschland. Danach
legten die alten Frauen kleine Sträuße aus Eberraute in ihr
Gebetbuch oder ins Gesangbuch. Während der Predigt labten sie sich
an dem Duft, um nicht einzunicken. Deshalb heißt die "Riechblume"
an der Ostsee "Schmecker", an der Nordsee "Rukelbloem" und anderswo "Rückelbusch".
Heutige Bedeutung und Verwendung
Die Eberraute wird heute noch hin und wieder in Bauerngärten als Heckenpflanze verwendet, weil sie mit ihrem feinzerteilten, graugrünen Laub sehr dekorativ wirkt und sie so intensiv nach Zitrone duftet. Ihre Bedeutung als Gewürzpflanze ist nur noch gering. Allenfalls nimmt man die im Juli und August gesammelten Blättchen und Triebe ähnlich wie Beifuß zum Würzen von fettem Braten. In Spanien und Italien werden bestimmte Gebäcksorten noch traditionell mit Eberraute gewürzt.
In der Volksheilkunde wird die Eberraute als Bittertonikum, das die Verdauungsfunktionen stützt und stärkt, indem es Magen und Darm zu vermehrter Sekretion anregt, gegen Appetitlosigkeit verabreicht. Außerdem wird sie als Mittel gegen Fadenwürmer im Verdauungstrakt von Kindern eingesetzt. Eberraute hilft auch, eine unregelmäßige oder ausbleibende Periode einzuleiten, weshalb Schwangere Eberrauten-Präparate nicht unbedenklich einnehmen sollten.
In der Homöopathie wird der Eberraute eine heilende Wirkung zugeschrieben, besonders bei Drüsenschwellungen, Erschöpfungszuständen, Abmagerung, Bauchfellentzündung und chronischen Entzündungen. Frische oder getrocknete Blätter werden Bädern und Umschlägen zugesetzt.
In Frankreich nahm man an, dass der intensive Geruch der Eberraute Insekten
abschreckt, und hängte deshalb kleine Eberrautensträuße
in die Schränke, um Flöhe und Motten aus den Kleidern zu vertreiben
(daher auch der französische Name "garderobe" für die Eberraute).
Auch heute noch sind Eberrautenblätter oft Bestandteile von Kugeln
und Pulvern gegen Fliegen und Motten.
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zuletzt geändert am 22.VI..2001