12.Nov.2009

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Friedhofspflanzen – Symbole der Unsterblichkeit, treuen Liebe und Hoffnung

Mechtild Feese


Ich hab die Nacht geträumet,
wohl einen schweren Traum;
es wuchs in meinem Garten
ein Rosmarienbaum.
Ein Friedhof war mein Garten,
ein Blumenbeet das Grab.
Und von den hohen Bäumen
fiel Kron´ und Blüt´ herab.
Die Blüten tät ich sammeln
in einem güldnen Krug.
Der fiel mir aus den Händen,
dass er in Stücke schlug.
Draus sah ich Tränen rinnen
Und Tröpflein wie Blut so rot.
Was soll der Traum bedeuten?
Herzliebster, bist du tot?

Dieses schwermütige alte Volkslied passt sehr gut in unseren grauen nasskalten November. Er ist der Monat, in den Allerheiligen, Buß- und Bettag, Volkstrauertag und Totensonntag fallen und in dem wir unserer Toten gedenken und um sie trauern.

Schon früher bedeckten die Menschen ihre Toten mit Blumen und Kränzen, warfen ihnen Sträußchen ins Grab und schmückten die Totenstätten. Der oben erwähnte Rosmarin spielte eine große Rolle im Totenkult im Laufe der Geschichte. Viele Pflanzen auf unseren Friedhöfen sind immergrün, d.h. sie werfen im Winter ihre Blätter nicht ab. Dadurch wurden sie für die Menschen von altersher zu Symbolen für den Sieg über den Tod für ein ewiges Leben.
Nadelbäume wie Eiben, Wacholder, Zypressen und Zedern und natürlich auch der Buchsbaum waren solche Pflanzen. Die Eibe, einer der langlebigsten Bäume überhaupt, die den Kelten besonders heilig war, stand für Unsterblichkeit. Der Wacholder, der Machandelbaum aus dem Märchen, galt als heiliger Baum, als Zufluchtsort und auch bei kleiner Wuchsform als Symbol physischer Stärke. Seine Früchte sehen aus wie Beeren, sind aber aus botanischer Sicht kleine Zapfen, die drei Jahre lang in drei Nachwuchsgenerationen bis zur Reife am Strauch oder Baum hängen. Dieser Tatbestand ließ den Wacholder zum Sinnbild für ein langsauerndes sich stets erneuerndes Leben werden.

Auch Zedern und Zypressen stehen für Unsterblichkeit, Zypressen finden wir auf vielen südlichen Friedhöfen als Sinnbild für Trauer und Tod wie auch für die Hoffnung auf ein neues Leben. Ein weiteres Symbol für Unsterblichkeit und treue Liebe über den Tod hinaus war der Buchsbaum mit seinen immergrünen ledrigen Blättern und seinem gesunden Wuchs, der nach jedem Rückschnitt neue Zweige treibt. Ein anderer Baum, den wir mit Toten und Totenkult in Verbindung bringen, der aber in unserem Klima nicht in freier Natur gedeiht, ist die Palme. Sie symbolisiert den Sieg, der Frieden bringt, den Frieden überhaupt und die Auferstehung. (Eine ganz andere Bedeutung haben Zypressen und Palmen heute übrigens für viele Leute, die in ihnen Sinnbilder für warme, sonnenreiche, südliche Länder mit allen Urlaubsfreuden sehen.) Zwei weitere symbolträchtige Pflanzen sind die Bodendecker Efeu und Immergrün, die im Winter ihre Blätter behalten und so für die Menschen Unsterblichkeit, Treue und ewiges Leben verkörpern. Beide sind giftig, beide sind aber auch Heilpflanzen.

Alle diese Bäume, Sträucher und Kräuter sind in unserem Bewusstsein mit Friedhof verbunden, ihre symbolische Bedeutung ist aber weitgehend aus dem allgemeinen Gedächtnis verschwunden. Wir pflanzen sie, weil sie für uns zur Friedhofs- und Grabgestaltung gehören. Doch mittlerweile bestimmen ganz andere Kriterien, wie und mit welchen Pflanzen die Gräber geschmückt werden. Neben Modetrends und kommerziellen Interessen ist es die Pflegeleichtigkeit. Pflanzen, die wenig Arbeit machen, die wenig Wasser brauchen und auch sonst anspruchslos sind, werden bevorzugt angepflanzt. So finden wir auf vielen Friedhöfen Bodendecker wie Cotoneaster, Heidekraut, Reichardien usw. und darauf in Gruppen Eisbegonien, Stiefmütterchen, Impatiens, Alpenveilchen, Fuchsien wie rautenförmige, ovale oder kreisrunde Kissen oder wie Bänder oder Besatz. Auch sind sie in Schalen, Töpfen oder Vasen angeordnet, können also gleich im Ganzen ausgewechselt werden. Farblich abgestimmte Steine jeder Größe und Form, Kies, Grablampen und natürlich die Grabsteine sind weitere Elemente der Grabgestaltung. (In einigen Ländern schmücken Fotos der Verstorbenen und Perlenkränze die Gräber.)

Im November bekommen unsere Toten Gestecke und Leger aus natürlichen witterungsbeständigen Materialien. Leere Samenstände von Lotosblumen, allerlei Zapfen und verholzte Früchte und Fruchtstände, isländisches Moos, Palmwedel, Seegurkenskelette werden auf immergrünen Zweigen arrangiert zu einem Bouquet in braungelb grünen Herbstfarben. Manchmal sind diese Materialien auch gefärbt oder bestehen aus Plastik, dauerhaft und leuchtend, ohne symbolischen Hintergrund, aber dekorativ und praktisch.

Frische Blumen im November sind meistens Astern und Chrysanthemen, weil sie Tau, Nebel und leichte Nachtfröste vertragen. Chrysanthemen gibt es in vielen Formen und Farben. Sie sind von unseren Friedhöfen nicht mehr wegzudenken und sind doch erst seit ungefähr hundert Jahren allgemein in Europa bekannt. Die Chrysantheme stammt aus China, wo sie die Tempel schmückte und als ein wichtiges Thema in der Kunst immer wieder dargestellt wurde. Aber eigentlich ist sie die Blume Japans. Sie wurde zum Symbol des Kaisers und des ganzen Landes und ihre vielfältigen Erscheinungsformen sind auf das Können der japanischen Züchter zurückzuführen. Bei uns ist die Chrysantheme in den letzten hundert Jahren zur „Herbstblume“ und zur „Friedhofsblume“ geworden und hat als Zeichen für das Gedenken an die Toten und die Liebe über den Tod hinaus den Rosmarin aus dem alten Lied ersetzt.


 

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zuletzt bearbeitet am 8.VIII.2010