15.Apr.2010
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Hopfen, das Wildgemüse. Warum Industriebier immer gleich schmeckt.
Joachim Schmitz
Bei Hopfen denkt man unwillkürlich an den Leitspruch der Bierbrauer vom Hopfen und Malz und an die großen Hopfengärten, z.B. in der bayrischen Hallertau. In Wolnzach gibt es sogar ein Hopfenmuseum. Der Echte Hopfen kommt aber auch wild vor. Er bevorzugt feuchte, nährstoffreiche Böden, wie sie in der Natur in Auwäldern am Ufer von Bächen und Flüssen anzutreffen sind. Solche Bedingungen findet man zuweilen auch an Wald- und Wegrändern.
Botanisch heißt der Echte Hopfen Humulus lupulus und gehört zur Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae). Tatsächlich hat er einige Inhaltsstoffe mit dem Hanf gemeinsam, allerdings nicht die berauschenden Cannabinoide. Wie der Hanf ist auch der Hopfen zweihäusig, d.h. die Pflanzen bringen entweder nur rein männliche oder nur weibliche Blüten hervor. Die weiblichen Blüten sind in eiförmigen Kätzchen vereinigt, die auch Hopfendolden genannt werden, obwohl das botanisch falsch ist. Wie beim Hanf sind die weiblichen Blütenstände mit Drüsenhaaren besetzt, die eine Art Harz absondern. Während die Hopfendolden von Abbildungen auf Bierflaschen oder in Wirtshäusern den meisten Leuten bekannt sind, würden Laien eine männliche Pflanze kaum als Hopfen erkennen. Die männlichen Blütenstände sind locker verzweigte Rispen. Voll entwickelte Blätter sind handförmig eingeschnitten.
Sechs Meter Höhe
Die Kletterpflanze hakt sich mit kleinen Widerborsten an einem Trieb einer anderen Pflanze fest und umwindet dann die Unterlage. So kann der Hopfen bis zu 6 Meter an Sträuchern und Bäumen hochwachsen. Im Winter sterben die oberirdischen Teile ab und die Pflanze treibt im nächsten Frühjahr mit mehreren Sprossen wieder aus.
Außerhalb der Anbaugebiete ist die Verwendung der Hopfensprossen als Gemüse wenig bekannt. Wenn im Frühjahr die jungen Sprosse schießen, kann man sie abschneiden und wie Spargel zubereiten. Allerdings sind die Triebe viel schmaler als beim Spargel, so dass das Ernten einer brauchbaren Menge länger dauert. Am besten schmecken die unterirdischen, weißen Sprossteile. Man kann aber auch die grünen Sprossspitzen und bis in den Mai die Rankenspitzen und noch nicht entfaltete Blätter verwenden. Man kann sie roh als Beigabe zu Salaten und Rohkost oder gekocht für eine Kräutersuppe nutzen. Für einen reinen Hopfensprossensalat kocht man sie in Salzwasser gar, lässt sie abkühlen und bindet sie mit Mayonnaise, je nach Geschmack können auch noch Pfeffer und/oder Schnittlauch dazugegeben werden.
Ein besonders ausgefallenes Rezept sind gebackene Hopfensprossen. Dazu werden die Sprossen nur kurz überbrüht, eine Weile in Salz und Zitronensaft eingelegt, abgetrocknet und dann durch Bierteig gezogen und in Öl ausgebacken.
Im Spätsommer werden die nun fruchtenden Hopfendolden geerntet. Das als Lupulin bezeichnete gelbe Harz ist ein Gemisch aus zahlreichen Bitterstoffen, etherischen Ölen, Gerbstoffen und Flavonoiden. Es wirkt sedativ (beruhigend) und antibakteriell. So wurden die Fruchtzapfen in der Volksmedizin als Beruhigungstee und äußerlich gegen Wundinfektionen eingesetzt. Aus den getrockneten Fruchtzapfen kann ein Tee zubereitet werden. Die frischen reifen Fruchtzapfen können auch in Alkohol aufgesetzt werden.
Abenteuer Brauen
Im Bier trägt Lupulin nicht nur zur Farbe und dem typischen Geschmack des (hellen) Bieres bei. Darüber hinaus unterdrückt Lupulin auch die unerwünschte Milchsäuregärung im Bier. Heute ist das kein Problem mehr, der Brausud wird vor dem Gären abgekocht und dann werden Zuchthefen zugesetzt, denen die Milchsäuregärung ausgetrieben worden ist. Früher wusste man noch nichts von Hefen und Bakterien, und da war Brauen jedes Mal ein Abenteuer. Es war reiner Zufall, welche Mikroorganismen heran geschwebt kamen, und so war dann auch das Bier. In Europa ist vermutlich in karolingischer Zeit in Frankreich der Hopfen als Mittel entdeckt worden, das Bier durch Hopfen zu aromatisieren, haltbarer zu machen und durch die Unterdrückung der bakteriellen Milchsäuregärung geschmacklich zu verbessern. Davor wurden alle möglichen Pflanzen dem Bier zugegeben. Z.B. hat sich am Niederrhein lange die Tradition gehalten, das Bier mit Gagelstrauch (Myrica gale) zu versetzen. Das muss ganz schön bitter gewesen sein. Die Kombination aus Geschmack, konservierender Wirkung und Steuerung der Gärung hat den Hopfen dann wohl zum Siegeszug geführt. Heute wird nur noch Bier mit Hopfen hergestellt. Allerdings wurden dafür Sorten gezüchtet, die immer weniger Bitterstoffe enthalten (so genannte Aromahopfen). Reinzuchthefen und die Aromahopfen führen allerdings auch dazu, dass Industriebier immer gleich und immer gleich langweilig schmeckt.
zuletzt bearbeitet am 4.IX.2010