22.Juli 2010
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Hecken: Wild und verhext oder auch in der Form vollendet schön
Karl Josef Strank
Hecken sind aus unserer Landschaft nicht wegzudenken, obwohl sie in der heutigen ackerbaulichen Nutzlandschaft, die den funktionalen Zwängen der intensiven maschinellen Bearbeitung unterworfen wird, immer mehr verschwinden. Derartig genutzte Flächen werden ausgeräumt und veröden zu einem weiten, bis zum Horizont freien Raum, der zu Recht als „Agrarsteppe“ bezeichnet wird.
Linienhafte Biotope
Hecken sind die Lebensadern unserer Landschaft, die als linienhafte Biotope die verschiedensten Lebensräume miteinander verbinden. Natürlicherweise konzentriert sich in diesen Strukturen sowohl das pflanzliche wie auch das tierische Leben, weswegen die Hecken und dazugehörigen Saumbiotope entscheidenden Anteil an der Biodiversität, der Vielfalt der Lebewesen, in unserer Landschaft haben. Hecken brechen den Wind, der die Felder austrocknet, den Humus und die feinen Bodenpartikel verweht und der Erosion Vorschub leistet. Die immer wieder ins Feld geführte Verschattung von Ackerflächen durch Hecken, die zu Mindererträgen führt, wird in der Summe betrachtet durch die positiven Effekte von Feldhecken mehr als ausgeglichen.
Das Wort Hecke kommt von Hag, was „Umzäunung“ und „Gehege“ bedeutet und gleichzeitig den Schutz einer „umhegten“ und „behaglichen“ Fläche bezeichnet. „hag“ steht aber auch für schlagen, stoßen und stechen, woher die Worte Hacke, Hechel, Häcksel, Hagel und Heu kommen. Entstanden sind die Hecken in der Zeit, als die Wälder für Äcker und Wiesen gerodet wurden. Der umgebende Wald begrenzte die Nutzflächen. Im Lauf der Jahrhunderte wurden die Waldflächen immer weiter gerodet bis schließlich nur noch kleine schmale Waldstreifen übrig blieben. Steine aus den Ackerflächen trug man in diese Begrenzungsstreifen ein.
Knicks und Öser
Im Ergebnis entstanden die markanten Wallhecken, die in Norddeutschland auch als Knicks oder Öser bezeichnet werden und in weiten Teilen das Landschaftsbild der Tiefebene prägen. Bezeichnend in unserer Region sind Hecken um Wiesen im Venn und im Eupener Butterländchen. Neben der Funktion als natürliche Feldbegrenzung lieferten diese Hecken auch noch regelmäßig Brennholz, wenn sie in Abständen von mehreren Jahren abschnittsweise niedergehauen, „auf Stock gesetzt“ wurden. Gehölze, die aus den übriggebliebenen Stöcken von selbst wieder ausschlagen wie Hasel, Hainbuche und Esche siedelten sich dort an. Immer ließ man in diesen Hecken vereinzelt auch Buchen und Eichen als Überhälter stehen. Eine zweite wichtige Funktion übernahmen diese Hecken, indem sie gegen Wild- und Viehverbiss schützten. Dann wurden verstärkt dornige Sträucher wie Hagedorn (Weißdorn), Heckenrose, Sanddorn, Ginster, Brombeeren, Berberitzen und Schlehdorn in diese Hecken gepflanzt. Derart dichte, unangenehm stachelige, abweisende Verhaue, die wie natürlicher Stacheldraht wirken, hielten Menschen und Vieh zurück und wurden im Mittelalter auch gerne entlang von Gräben an den Landwehren, alten Grenzstreifen, die sich auch noch in der Umgebung von Aachen finden lassen, errichtet.
Hecken sind aber auch geheimnisvolle Orte, denn sie sind die bevorzugten Aufenthalte der Hexen. Der Name Hexe leitet sich aus „hagzissa“ oder „hagetisse“ ab, was so viel wie Zaunreiter/in bedeutet. Hexen sitzen damit an der Nahtstelle zwischen zwei Welten und treten damit auch als Vermittler zwischen diesen Welten auf. In den nordischen Sagen sind unvermutete Durchlässe in Hecken oft Eintrittspforten in ein Feenreich oder in die Unterwelt. Hecken um Friedhöfe, insbesondere wenn sie aus Eibe oder Buchsbaum gepflanzt waren, schützten vor bösen Geistern. Hecken sind somit interessante und die Neugierde reizende Orte, an denen sich im wahrsten Sinne des Wortes vieles „aushecken“ lässt.
Schonfrist
Wildhecken dürfen wegen des Schutzes brütender Vögel und anderer Tiere, die darin Unterschlupf finden, in der Zeit von Anfang März bis Ende September nicht gerodet, geschnitten oder zerstört werden. Pflegemaßnahmen (Verjüngen und auf Stock setzen) sind also in das Winterhalbjahr zu verschieben. Kultivierte und kurz geschnittene Hecken, wie sie in Gärten und Parks anzutreffen sind, können natürlich auch in den Sommermonaten für Form und Pflege geschnitten werden. Allerdings sollte auch hier darauf geachtet werden, dass falls Nester in diesen Hecken vorhanden sind - die Jungvögel diese bereits verlassen haben und flügge sind. Gerade bei Formhecken ist ein Sommerschnitt, der vor dem 24. Juni, dem Johannistag, erfolgt, sehr hilfreich, denn dann treiben die Knospen noch einmal in der zweiten Jahreshälfte durch, was diese Hecken sehr fein und dicht werden lässt. Formschnitte aus Buchsbaum oder „grüne Wände“ aus Eibe, Hainbuche oder Buche machen dann echt was her. Genauso wie die Buchenhecken im Monschauer Land, die diesen Landschaftsstrich prägen und dort als Windschutz für die Häuser dienen. Diese grünen Mauern mit torartigen Durchlässen für den Eingang oder fensterartigen Aussparungen für den Blick nach außen sind schön anzusehen, machen aber auch richtig viel Arbeit. Genauso wie die Laubengänge und Heckenlabyrinthe in Schlossgärten und Parks, diesen angenehm schattigen, mitunter heimlichen, kurzweiligen Orten, in denen man sich verlustieren kann, aber nicht fürchten muss, dass wie in Harry Potter und der Feuerkelch die dunklen mächtigen Pflanzen in bösartiger, hexentückischer Absicht mit krakenästigen Armen zugreifen und einen in den Orkus schlingen.
zuletzt bearbeitet am 18.X.2010