4.Nov. 2010

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Krähen oder Raben? Wer genau hinsieht, sieht den Unterschied.

Angela Ertz

Sie passen einfach gut ins Herbstbild. Morgens schreiten sie uns aus dem Dunst entgegen oder torkeln - von einer Windbö erfasst- mit einem verärgerten ‚Krah-Krah‘ durch die Luft. Aber wer sind diese dunklen Gestalten? „ Raben!“ würden viele Kinder mit Überzeugung sagen. Dies ist bei derzeit geschätzten 50 Brutpaaren in ganz NRW allerdings sehr unwahrscheinlich. Bleiben als schwarze Vertreter der hiesigen Rabenvögel noch Krähen und Dohlen.

Die Krähen sind bei uns mit zwei Arten vertreten. Erstens die Saatkrähe und zweitens die Aaskrähe in der westlichen Unterart der Rabenkrähe.

Saatkrähen und Rabenkrähen sehen sich sehr ähnlich. Die ausgewachsene Saatkrähe erkennt man an ihrem markanten, hellgrauen Schnabel und der hohen Stirn. Die etwas zierlicher wirkende Rabenkrähe besitzt einen schwarzen, leicht gebogenen Schnabel und eine flache Stirn. Sie ist damit eine Kleinausgabe des Kolkraben.

Kolkraben und Rabenkrähen brüten einzeln in mehrere Hektar großen Revieren, Saatkrähen sind dagegen Koloniebrüter auf hohen Bäumen. Dass ‚eine Krähe der anderen kein Auge aushackt‘ bezieht sich auf die gegenseitige Gefiederpflege am Kopf, gilt aber auch im übertragenen Sinn. So rauben sich Saatkrähen niemals gegenseitig die Nester aus, wohl aber stehlen sie sich von ihren Nachbarn gerne Nistmaterial. Saatkrähen gehen im Schwarm auf Nahrungssuche. Häufig zusammen mit Dohlen suchen sie abends lautstark gemeinsame Schlafbäume auf. Rabenkrähen treten dagegen meist einzeln oder als Paar auf. Daneben existieren größere Nichtbrütertrupps von Rabenkrähen, die sich kein Revier ergattert haben.

Während Raben und Rabenkrähen weitgehend in ihren Brutgebieten bleiben, ziehen osteuropäische Saatkrähen im Oktober weit nach Westen und erhöhen im Herbst bei uns den Bestand um ein Vielfaches. Daher ist es auch kein Zufall wenn uns die Krähen zurzeit eher auffallen als zu anderen Jahreszeiten.

Etwas Geheimnisvolles
Rabenvögel sind Allesfresser und damit ideale Kulturfolger. Bei Raben und Rabenkrähen liegt der Schwerpunkt auf Aas und tierischer Nahrung, bei den Saatkrähen auf pflanzlicher. Gerade in puncto Nahrungssuche ist das Verhältnis zwischen Rabenvögeln und Menschen zum Teil schwierig: Ausgeräumte Papierkörbe, aus der Tüte geklaute Brötchen und ausgeraubte Amselnester gehen auf ihr Konto. Bauern, deren gerade gekeimter Mais ein Leckerbissen für Saatkrähen ist und bei denen kranke Lämmer auf der Weide manchmal von einem Raben ‚testweise‘ angepickt werden, sehen sich wirtschaftlich geschädigt. Manche Jäger sehen in Rabenvögeln Konkurrenten um das Niederwild.

Raben umweht stets etwas Düster-Geheimnisvolles. Vermutlich sind sie deshalb in der Literatur und bei Kindern viel präsenter als Krähen. Es gibt diverse Märchen, Fabeln und Sagen um tatsächliche oder verwandelte Raben. Die Redewendung ‚Unglücksrabe‘ taucht bereits in den Metamorphosen des Ovid auf: der ehemals strahlend weiße Vogel des Gottes Apoll muss darin als Überbringer schlechter Nachrichten fortan zur Strafe ein schwarzes Federkleid tragen. Der Aas fressende Rabe erschien oft auf mittelalterlichen Richtplätzen und wurde so zum ‚Galgenvogel‘. Eine mögliche Erklärung für die Bezeichnung ‚Rabeneltern‘ ist, dass Rabenjunge ausgesprochene Nesthocker sind und die Unbeholfenheit der ersten selbständigen Ausflüge auf die mangelnde Fürsorge der Altvögel geschoben wird.

Raben sind aber auch kluge, sprechende Ratgeber auf den Schultern von Hexen und Zauberern- in einer anderen Interpretation allerdings deren Todesvorboten. In verschiedenen Schöpfungsmythen spielen Raben eine Rolle, sowie als die Boten Hugin und Munin des germanischen Gottes Odin.

Nicht zuletzt handelt es sich beim Kolkraben übrigens um den größten heimischen Singvogel, wenn man auch über die Gesangsqualität streiten kann. Diese Einordnung in die zoologische Systematik hat aber immerhin diversen Rabenvögeln das Leben gerettet: 1979 wurden alle Singvögel EU-weit unter ein generelles Jagdverbot gestellt und damit die häufig als ‚Raubzeug‘ bezeichneten Rabenvögel gleich mit. Naturschützer freuten sich, aber manch ahnungsloser Krähenjäger fühlte sich ausgetrickst. Und fast würde man den Rabenvögeln genug Schläue zutrauen, diesen Streich selber eingefädelt zu haben! Mittlerweile gibt es allerdings umstrittene Ausnahmeregelungen für die Jagd. Dabei erholen sich die Bestände nach der extremen Dezimierung Mitte des 20. Jahrhunderts gerade langsam wieder.

Krähen und Raben sind neugierige, äußerst lernfähige Tiere. In freier Natur spielen sie gerne, indem sie z.B. Gegenstände fallenlassen, die dann ein Artgenosse mit dem Schnabel auffängt. Sie schlagen Saltos rund um einen Ast, rutschen einen verschneiten Hügel herunter oder vertreiben sich offenbar die Zeit damit, junge Obstbäume anzupicken, wie in Aachen-Melaten beobachtet. In einer aktuellen Studie bogen Krähen Drahtstücke gezielt zu Haken, sodass sie damit Leckerbissen aus Glasröhrchen angeln konnten. In Tokio und München lernten Krähen sogar, Walnüsse an Ampeln auf die Straße zu legen, um diese von den Autos knacken zu lassen.

Die Rabenvögel zieht es in die Städte. Daher hat man mittlerweile dort viel häufiger die Gelegenheit als in der Kulturlandschaft diese fast menschliche Seite der Rabenvögel zu beobachten und sich für ihre rabenschwarze Intelligenz zu begeistern.

 

 

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zuletzt bearbeitet am 27.XII.2010