9.Dez.2010

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Es gibt viele Variationen Äpfel zu genießen und von ihnen zu profitieren

Ruth Gestrich-Schmitz

Bratapfelkuchen, mit Streuseln, Äpfeln, Nüssen und Zimt, was für ein Genuss besonders in der Vorweihnachtszeit! Oder heißer Apfelpunsch, der schmeckt am besten mit Saft aus frisch gepressten Äpfeln, mit Weihnachtsgewürzen und vielleicht einem Schuss Calvados verfeinert, an einem kalten Winterabend bei Kerzenschein und Kaminfeuer. Oder man beißt ganz einfach herzhaft in einen knackigen Apfel. Egal, auf welche Weise Äpfel genossen werden, sie sind lecker und gesund.

Das wussten bereits unsere Vorfahren: Äpfel wurden schon lange vor ihrer Kultivierung von den Menschen gesammelt. Besonders häufig fanden sich Kerne und auch halbe oder ganze Äpfel in Siedlungen der Jungsteinzeit, und zwar überall in Mitteleuropa von Skandinavien bis nach Italien. Hierbei handelt es um den Holzapfel, Malus sylvestris, der zum heimischen Baumbestand in Mitteleuropa gehört. Bereits die ersten Bauern der rheinischen Lössbörden haben wahrscheinlich Hecken gepflegt und regelmäßig geschnitten, um einen reichlichen Fruchtansatz des Holzapfels zu erreichen. Denn das Feuerholz für ihre häuslichen Feuerstellen stammte zu einem großen Teil von „Pomoideae“, zu denen außer dem Apfel auch Vogelbeere und Weißdorn gehören, und fiel beim Schnitt dieser Hecken „automatisch“ an.

Als ein Ursprung unseres heutigen Kulturapfels gilt der Wildapfel Malus sieversii. Die Kultur des Apfels und die Vermehrung mit den Techniken des Pfropfens und Okulierens gelangten mit den Römern in das Gebiet nördlich der Alpen. Da die Frucht dort schon durch die heimische Wildform bekannt war, erhielt sich auch der alte germanische Name „apitz“, später althochdeutsch „affaltra“, was auf indogermanische Wurzeln mit der Bedeutung „feucht, saftig“ bzw. „sich an etwas gütlich tun“ zurückgeführt wird. Der französische Name „pomme“ geht auf die römische Göttin aller Fruchtbäume, Pomona, zurück.

Ab der Karolingerzeit gehört der Apfel in die Obstgärten des Reiches. Im Capitulare de villis Karls des Großen werden die Äpfel unter der Bezeichnung pomarios als erste von allen Obstgehölzen genannt: Dabei sollten verschiedene Sorten gehalten werden: Gozmaringer, Geroldinger, Crevedeller und Sperauker (oder Speieräpfel). Unter den Sorten sollten süße, säuerliche, alle Lageräpfel und welche, die sofort verzehrt werden, sowie Frühäpfel sein. Die karolingischen Äpfel gibt es nicht mehr, weil sie weitergezüchtet wurden oder verloren gingen. Stellvertretend stehen im Karlsgarten in Aachen-Melaten alte Kultursorten: Court Pendu, Gravensteiner, Großer Rheinischer Bohnapfel und Von Zuccalmaglios Renette.

Äpfel galten und gelten allgemein als gesundes, sättigendes und durststillendes Nahrungsmittel. Der Apfel findet schon im 1.Jh.n.Chr. Erwähnung bei Dioskorides: Er berichtet über die zusammenziehende Eigenschaft unreifer Äpfel. Hildegard von Bingen empfiehlt den Saft der Blätter und Triebe für Umschläge bei Glieder-, Leib- und Kopfschmerzen und rät Gesunden wie Kranken zum Verzehr gekochter und gebratener Äpfel. Der Ulmer „Arzney Doktor“ Johann Becher soll im 17. Jh. Äpfel gegen Durst, schwachen Magen, Herzleiden, Hitze und bei Fieber und schwarzer Galle verordnet haben.

Äpfel enthalten Pektin, Gerbstoffe, Fruchtsäuren, Mineralstoffe sowie verschiedene Vitamine, insbesondere Vitamin C. Das Pektin besitzt die Eigenschaft, Schwermetalle und Bakteriengifte im Darm zu binden. Durch die Bindung von Gallsäuren und Cholesterin wirkt es vorbeugend gegen Arteriosklerose. Gekocht sind Äpfel ein leichtes Abführmittel; feingeriebene Äpfel helfen dagegen bei Durchfall. Frische Äpfel und Tee aus Apfelschalen wirken harntreibend und sind heilsam für Menschen mit Gicht, Rheuma und Nierenleiden. Für medizinische Zwecke werden bevorzugt der Holzapfel und säuerliche Sorten eingesetzt.

Säuerliche Sorten eignen sich auch hervorragend für die Herstellung von Apfelwein. Bekannt ist dieser vor allem als „Äppelwoi“ aus der Frankfurter Gegend. Weniger bekannt ist der „Viez“, der moselfränkische Apfelwein, der in der Südeifel, in der Gegend um Trier, im Hunsrück, im Saarland und in Luxemburg gekeltert wird. Der Name leitet sich möglicherweise vom lateinischen „vice“ ab, in der Bedeutung als der zweite oder stellvertretende Wein. Getrunken wird der Viez traditionell aus dem „Viezporz“, einem Henkelbecher aus weißem Porzellan. Als altes Hausmittel gegen Erkältungen oder auch als wärmendes Getränk in der kalten Jahreszeit ist heißer Apfelwein mit winterlichen Gewürzen wie Zimtstangen, Nelken und Orangenschalen beliebt.

Es gibt viele Variationen, Äpfel zu genießen und von ihren Inhaltsstoffen zu profitieren. Handeln wir daher am besten so, wie Goethe im „Faust“ scheibt: „Komm, von allerreifsten Früchten mit Geschmack und Lust zu speisen! Über Rosen soll man dichten, in die Äpfel muss man beißen.“



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zuletzt bearbeitet am 8.I.2011