10.März 2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Und jetzt beginnt das große Erwachen der tot geglaubten Marienkäfer

Angela Ertz

Marienkäfer leben gefährlich. Jedenfalls die, die in unserer Küche überwintern. Ganze Trupps vermeintlich besonders schlauer Käfer kommen auf der Suche nach einem perfekten Winterquartier meist Anfang Oktober herein geschwirrt. Dort sammeln sie sich in enggedrängten Grüppchen in den kühlen, feuchten Fensterecken, um nach einigem krabbelnden Umsortieren in die Winterstarre zu fallen.

Doch nicht viele unserer temporären Haustiere kommen an diesem Ort gut durch den Winter: Zitterspinnen freuen sich über diese Aufstockung ihrer Nahrungsvorräte auf dem ungeschützten Präsentierteller, auch die trockene Heizungsluft bietet kein gutes Klima, obwohl die Käfer durch die Grüppchenbildung bereits instinktiv ihre Oberfläche gegen Austrocknung verringert haben. Durch die Wärme setzen auch Krankheitskeime den Käfern während der Winterruhe eher zu.

Bessere Bedingungen bieten also Verstecke draußen, die uns auf den ersten Blick viel unwirtlicher erscheinen: In Türrahmen von Holzschuppen, verlassenen Nistkästen und in natürlichen Verstecken, wie Laubhaufen, Holzstapeln und verwelkten, hohlen Pflanzenstängeln. Diese sollten aus diesem Grund auch auf jeden Fall bis zum Frühjahr stehen bleiben. Auch strenger Frost schadet den Käfern in diesen geschützten Verstecken dank eines Frostschutzgemischs aus Glycerin, Alkoholen und Sacchariden in ihrer Körperflüssigkeit übrigens nicht.

Jetzt, Anfang März, beginnt das große Erwachen und mancher schon tot geglaubte Käfer landet in der Küche auf dem Frühstückstisch und fühlt sich dann im Haus auch nicht mehr richtig wohl. Im April und Mai, bei manchen Arten auch erst im Sommer, beginnen die Weibchen mit der Ablage etwa 400 kleiner gelber Eier an der Unterseite von Blättern, Nadeln oder in Rindenspalten.

Liebessymbol und Glücksbringer
Symbolisch gelten die nützlichen Marienkäfer durch die rote Farbe als Liebessymbol und Glücksbringer. In der Provence stand einem Mann, auf dem ein Käfer landete, die Hochzeit bevor, eine Frau musste sich dagegen so viele Jahre bis zur Heirat gedulden, wie der Käfer Sekunden brauchte, um vom Finger wegzufliegen. Wie im Deutschen ist auch in anderen Sprachen ihr Name eng mit Maria bzw. Jesus verknüpft. So heißen Marienkäfer regional „Glückskäferle“, „Gottesliebchen“ oder „Muttergotteskindchen“, auf Englisch „Ladybird“ und im niederländischen „Lieveheersbeestje“.

Zoologisch gesehen bilden Marienkäfer die Familie der Coccinellidae. Die Bezeichnung bezieht sich auf die kugelige Gestalt (lat. Coccus, gr. Kokkos= Beere), erinnert aber auch an die Cochenillelaus, die den scharlachroten Farbstoff Karmin produziert. Der typische rote Farbstoff bei den Marienkäfern besteht dagegen aus Carotin sowie Lycopin, das auch Tomaten rot färbt. Neben den roten Käfern haben viele der 80 mitteleuropäischen Arten schwarze, gelbe oder braune Flügeldecken. Innerhalb einer Art kann es zudem hunderte Farb- und Formvarianten geben, häufig auch Farbumkehrungen, was die Bestimmung sehr erschwert. Nach dem Schlupf dauert es einige Stunden bis die Flügeldecken ausgefärbt und ausgehärtet sind. Die auffällige Färbung dient als Warntracht. Der bittere Geschmack und eine unangenehm riechende gelbliche Flüssigkeit, die bei Gefahr aus den Gelenken ausgeschieden wird, halten Fressfeinde fern. Einige Vögel stört dies jedoch nicht besonders, etwa Spatzen und Amseln. Schlimmere Feinde sind jedoch Schlupfwespen, die ihre Eier unter die Deckflügel der Käfer platzieren, sodass die parasitischen Wespenlarven sogar mit dem Käfer überwintern. Übrigens tragen auch die Käferlarven, die wie zu kurz geratene Raupen mit sechs Beinen aussehen, meist Punkte und sehen in der Farbe den erwachsenen Käfern ähnlich. Eine Käferlarve vertilgt in den 30 bis 60 Tagen bis zur Verpuppung ca. 3000 Blattläuse, ein erwachsener Käfer schafft etwa 50 am Tag. Diese Gartennützlinge sind natürlich den Ameisen, die ihre Blattläuse in Kolonien pflegen, ein Dorn im Auge. Es kommt zu regelrechten Ameisenangriffen gegen Marienkäfer. Neben Blatt- und Schildläusen ernähren sich einige Arten auch von Pollen, sowie Mehltau oder Schimmelpilzen, wie etwa der häufige Zweiundzwanzigpunkt-Marienkäfer.

Dass die Anzahl der Punkte, je nach Art 2 bis 24 Stück, nichts mit dem Alter der Marienkäfer zu tun hat, weiß jedes Kind. Aber wie alt wird so ein Marienkäfer überhaupt, der den Winter überlebt hat? Es handelt sich bei diesen Käfern oft um die zweite Generation des Vorjahres, die im August geschlüpft ist. Leider überleben diese Käfer oft nicht bis zum nächsten Winter. So erklärt es sich vielleicht, dass immer wieder dieselben Fehler bei der Wahl der Überwinterungsplätze gemacht werden, da die Käfer ja nicht auf die Erfahrungen des vorigen Jahres zurückgreifen können.

 

 

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zuletzt bearbeitet am 18.IV.2011